Donnerstag, 4. Januar 2024
Keltische Druiden -16
"Würdest du mich nun bitte zu deinem ehrenwerten Athir -Vater- führen, meine Tochter?" frage ich die junge Frau, die vielleicht halb so alt ist wie ich.

Wir gehen aus dem Wald heraus und haben ihren Elternhof gegen Mittag erreicht. Sie führt mich zum Wohnhaus und schlägt das Bärenfell zur Seite, das den Eingang verdeckt. Ich bedanke mich lächelnd und betrete die Halle. Hinter mir schlüpft die junge Frau herein und nähert sich ihrer Mutter mit dem Tragekorb voller Wildkräuter und Pilze.

Die Frau, etwa in meinem Alter oder nur wenig älter als ich, schaut von der Feuerstelle auf und kommt mir entgegen. Ohne besondere Anweisung von ihrer Mutter kümmert sich nun die junge Frau um die Speisen auf der Feuerstelle. Die ältere Frau begrüßt mich ehrerbietig und bietet mir Platz an. Danach reicht sie mir Tee. Ich habe ihren Gruß erwidert und Platz genommen. Nun sage ich:

"Ich hörte von Eurer Tochter, dass Euer verehrter Athir -Vater- diese Bitu -Welt- verlassen hat, ohne dass ihm ein Totenritual gewährt worden ist. Darf ich bleiben bis alle Nachkommen versammelt sind und ihm das Ritual nachträglich gewähren?"

Meine Gastgeberin bekommt feuchte Augen und stimmt mir zu.

"Ich werde einen meiner Söhne zu meinem Schwager senden und ihn davon in Kenntnis setzen. Mein Mann und alle Verwandten werden sich sehr darüber freuen!"

In diesem Moment tritt eine Frau herein, die etwa zwanzig Jahre älter ist als ich. Sie trägt an einem Schulterjoch zwei Eimer mit Milch. Als sie mich sieht, begrüßt sie mich kurz und entschuldigt sich, dass sie die Milch versorgen muss. Die junge Frau kommt aber herbeigelaufen und nimmt ihr die Last ab. Ich habe mich in der Zwischenzeit erhoben und frage, nachdem ich zurück gegrüßt habe:

"Sehe ich hier die ehrwürdige Moja vor mir?"

Die alte Frau schaut mich misstrauisch an und bestätigt meine Annahme:

"Ja, ehrenwerter Kian -weiser Mann-, die bin ich..."

Ich helfe ihr ein wenig auf die Sprünge, indem ich sie erinnere:

"Ich wäre beinahe Euer Ziehsohn geworden, wenn nicht der Druid, der hier weilte, als der Hof meiner Eltern niederbrannte, mich zu seinem Chihn -Schüler- erwählte."

In ihrem Gesicht arbeitet es. Aus Unverständnis wird Erkennen, das sich zu Freude wandelt. Ich bin sicher, sie hätte mich am liebsten in ihre Arme geschlossen. Stattdessen beginnt sie zu zittern und sinkt auf ihre Knie. Nur ein Wort verlässt ihre Lippen, während sie sich ihre Wangen mit einem Zipfel ihres Kleides trocknet.

"Erin!" sagt sie.

Ich mache einen Schritt auf sie zu, fasse sie an den Schultern und ziehe sie auf ihre Füße. Dabei sage ich einfach:

"Mamaí!"

Moja macht einen Schritt rückwärts, beugt ihren Kopf vor mir und entfernt sich in Richtung der Feuerstelle. Dort fordert sie ihre Enkelin auf:

"Venia, geh auf's Feld und hole die Männer zum Essen!"

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