Samstag, 3. September 2022
Aufbruch ins All -32
Nach ungefähr einer halben Stunde sehe ich auf dem kleinen Bildschirm vor mir die Orbitalstation auftauchen und größer werden. Der Pilot steuert einen Hangar an, zündet die Bremstriebwerke und lässt den Shuttle auf die offene Schleusentür zutreiben, indem er nur noch mit kurzen Gasstößen aus den Steuerdüsen navigiert. Im Hangar wird der Shuttle von einer riesigen Klammer umfasst, dann schließt sich das äußere Schleusentor.

Die Flugbegleiterinnen schnallen sich ab und gehen von Fluggast zu Fluggast, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, während sie die Gurte lösen. Danach gehen sie zu einer Tür, drehen dort ein Rad bis es zischt. Nun lässt sich die Tür nach innen öffnen.

Wir dürfen den Shuttle verlassen und gehen auf die offene Tür einer weiteren Schleuse zu. Dahinter steigen wir eine Treppe hinauf und gelangen in den Ankunftsbereich. Hier müssen wir uns einem Medi-Check unterziehen. Anschließend können wir unser Gepäck in Empfang nehmen, das inzwischen ebenfalls ausgeladen und gecheckt worden ist.

Wir erkundigen uns nun, wann der nächste Flug zur Erde startet und wohin wir uns wenden müssen, damit wir das richtige interplanetare Raumfahrzeug erreichen. Wir erfahren, dass der Flug in etwa vier Tagen startet. In zwei Tagen ist das Raumfahrzeug von der Erde da. Danach wird die Technik durchgecheckt und wenn alles okay ist, können wir zusteigen, um etwa sieben Tage später in der Station im Erdorbit anzukommen.

Wir mieten uns also eine Kabine und suchen sie auf. Sie hat ein Etagenbett und eine kleine Sanitärzelle. Ein Bild an der Wand entpuppt sich als großer Bildschirm. Er zeigt uns die Venus, wie man sie aus dem Orbit wahrnimmt. Alle Bewegungen von irgendwelchen an- und abfliegenden Raumschiffen kann man ebenfalls beobachten. Mit einer Fernbedienung kann man auch anderes auf den Bildschirm holen, Filme schauen oder im Internet surfen.

Wir sehen der Annäherung des Raumfahrzeuges von der Erde zu und schauen im Internet, wann der voraussichtliche Abflug stattfinden soll. Etwa acht Stunden vorher sind wir im Abflugbereich zurück und bestellen uns ein Essen. In einer Durchsage werden wir auf eine Verschiebung des Abfluges von vier Stunden aufmerksam gemacht.

Ich beginne wieder zu meditieren, um den Energiefluss des Reiki -alles durchdringende Lebenskraft- an Bord der Orbitalstation, insbesondere in der Technik-Abteilung und dem Hangar, zu beobachten. Aber ich finde auch jetzt nichts Außergewöhnliches. Unsere 'Konkurrenz' ist also nicht aufmerksam geworden.

Schließlich dürfen wir einsteigen. Dann befreit sich das interplanetare Raumschiff sanft von der Orbitalstation, indem ein paarmal schwache Raketenstöße zu spüren sind. Danach werden wir wieder in unsere Kontursessel gedrückt. Die Marschtriebwerke sind gezündet worden und brennen nun etwa eine halbe Stunde lang.

Nachdem wir so einen großen Abstand zur Orbitalstation erreicht haben und uns ein Stück weiter von der Venus entfernt haben, werden die Triebwerke abgestellt. Augenblicke später spüre ich Schwerkraft im Raumschiff. Die Flugbegleiter kommen zu jedem Fluggast und fragen ihn auch hier wieder nach seinem Befinden. Sie öffnen unsere Gurte und zeigen uns unsere Kabinen. Wir haben genauso eine Kabine wie in der Orbitalstation über der Venus. Das scheint Standard zu sein.

Hier wohnen wir also die nächsten sieben Tage bis wir die Erde erreichen. Mirco fragt mich, woher hier die Schwerkraft kommt. Ich lächele ihn an und erkläre ihm:

"Die interplanetaren Flüge haben zuerst einen Schub von der Stärke mehrerer G benötigt, um die Fluchtgeschwindigkeit zu erreichen. Dann lebten die Raumfahrer etwa ein halbes Erdjahr in der Schwerelosigkeit, bis dann die Triebwerke wieder gezündet wurden, um in die Umlaufbahn einzuschwenken. Diese Tortur wollte man normalen Passagieren ersparen.
Also ist man vor Jahrhunderten auf Ionentriebwerke umgestiegen und hat die Raumfahrt von Orbitalstation zu Orbitalstation eingeführt. Diese Triebwerke brennen während des ganzen Fluges und erzeugen so eine gewisse Schwerkraft. Vor wenigen Jahrzehnten hat man endlich die ersten Warp-Antriebe in Raumschiffe eingebaut. Nun spüren wir die gewohnte Schwerkraft und die Flugzeit hat sich auf wenige Tage bis wenige Wochen verkürzt, je nach Entfernung der Planeten zueinander.
Gleichzeitig erhöhte man den Komfort der Passagiere. Es gibt Restaurants und Bars an Bord, zum Beispiel."

*

Nach zehn Tagen erreichen wir die Erde und nähern uns der Orbitalstation im 600 Kilometer Höhe. Wieder müssen wir in dem großen Saal auf den Kontursesseln Platz nehmen und uns anschnallen. Für die letzte Annäherung und die Landung in einem Hangar werden wieder Gastriebwerke gezündet. Auch hier übernimmt eine Klammer die letzte Phase der Landung.

Danach wird der Hangar gegen den Weltraum abgeschottet und mit Atmosphäre gefüllt. Wir dürfen das Raumschiff verlassen und wechseln nach dem üblichen Medi-Check zur Dockingstation des Shuttles mit dem wir den Abstieg zur Erdoberfläche vornehmen wollen.

Wir besteigen hier einen dreieckigen 'Nurflügler' und setzen uns in unsere Sitze. Drei Stunden nach dem Abdocken landet das Shuttle auf einer mehrere Kilometer langen Landebahn. Nun müssen wir das übliche Prozedere über uns ergehen lassen und könnten danach den Ankunftsbereich in Richtung einer überdimensionalen U-Bahn-Station verlassen.

Da werden wir von einem Mann in der Kleidung eines Chuhden -Fortgeschrittenen- angesprochen.

"Master Myers?"

"Ja, der bin ich," antworte ich, freundlich lächelnd.

"Darf ich sie bitten mitzukommen," fordert er uns nun höflich auf.

Er führt uns zur Seite und stellt uns seinem Master vor.

"Dies ist Master Dayak. Master Dayak, dies ist der angekündigte Master Myers."

Master Dayak begrüßt uns mit "Selam -Friede-!"
Er berührt mit den zusammengelegten Daumen-, Zeige- und Mittelfingerkuppen seine Stirn, Mund und Herz, während er sich verbeugt. Ich wiederhole die Geste. Sie scheint in dieser Gegend auf der Erde üblich zu sein. Der Raumhafen liegt mit den wichtigsten Verwaltungsgebäuden des irdischen Staatenbundes in der Sahara. Irgendwann in den letzten 700 Jahren ist die UNO von New York in die Nähe des Raumhafens gezogen. Auch der Jinja -Schrein- unserer Organisation steht dort.

Äußerlich sieht er aus, wie man sich die 'hängenden Gärten der Semiramis' vorstellt, einem vergangenen Weltwunder. Genau wie in den zeitgenössischen Beschreibungen der 'hängenden Gärten' handelt es sich beim Jinja um eine weitläufige Stufenpyramide mit Bepflanzung und Wasserspielen. Im Inneren befindet sich unser Archiv, Schulungsräume, Mensas, Wohnräume und Besprechungsräume, sowie Säle für verschiedene Zeremonien. Auch Hangars für kleine Luftfahrtgeräte gibt es dort, die sich mit Mantelschrauben in die Luft erheben können.

Wir folgen den Männern auf den Vorplatz des Flughafengebäudes. Dort stehen unzählige dieser Mantelschrauber, die von Elektromotoren angetrieben werden. Wir nehmen hinten Platz und die Männer setzen sich an die Kontrollen. Kurz darauf hebt das Fluggerät ab und steuert den Jinja -Schrein- an. Die Gründer haben den Bau vor Jahrhunderten nach den japanischen Shinto-Schreinen benannt, obwohl er in Aussehen und Funktion eine andere Bedeutung hat. Das hat damals sicher nostalgische Gründe gehabt. Inzwischen hat sich aber der Name unter uns eingebürgert.

Wir landen auf der obersten Plattform und fahren mit einem Aufzug eine Ebene tiefer. Dort führen uns die Männer in einen Besprechungsraum, der ausgestattet ist, als befände er sich in einem orientalischen Palast: Viele Rundbögen und Kuppeldecken. Große Fenster lassen Licht herein und es scheint, als ob die Vegetation von draußen hereindrängen will.

Wir stehen etwa zwei Dutzend Chisei gegenüber. Ein Saikou Chisei -oberster 'Mann mit Geisteskraft'- begrüßt uns:

"Aisatsu -Seien Sie gegrüßt-, Myers-San. Sie wurden uns also von der Venus gesandt, um unser Archiv mit Daten über die Planeten und Monde unseres Sonnensystems zu füttern."

... link (0 Kommentare)   ... comment