Sonntag, 18. September 2022
Aufbruch ins All -37
Die Automatik schwenkt das Raumschiff in den weiten Marsorbit ein und erreicht wieder die stabile Flugbahn um den Planeten. Von unserer Position aus lasse ich 'Delta-8a" die Antenne auf Olympus Mons ausrichten und spreche ins Mikrofon:

"Seine Wenigkeit, Chisei Myers, Botschafter der Organisation O-Chisei von der Venus, möchte der Regierung des Mars seine Aufwartung machen. Meine Organisation möchte den Mars und seine Möglichkeiten kennenlernen und unverbindliche Gespräche führen. Wäre das möglich?"

Es dauert ungefähr einen Tag bis vom Mars eine Rückmeldung hereinkommt.

"Wir haben uns vor Jahrhunderten freiwillig isoliert. Daher kann ich dem Herrn Botschafter leider kein Landefeld zuweisen."

"Oh, Seine Wenigkeit, der Botschafter, ist genügsam," sende ich zurück. "Nennen Sie einfach die Koordinaten eines Landepunktes, wo Sie ihn und seinen Assistenten abholen können. Wir wollen Ihnen absolut keine Umstände bereiten!"

Eine Stunde danach erhalte ich Koordinaten und erkenne, dass man den alten Null-Meridian aus der Anfangszeit der Raumfahrt beibehalten hat. Ich frage 'Delta-8a', ob es dort in der Nähe eine 'Verdickung' des planetenumspannenden Rohrnetzes gibt. Denn ich hoffe, dort so etwas wie einen Bahnhof zu finden.

Die Automatik bestätigt es. Also gebe ich 'Delta' den Befehl, an den erhaltenen Koordinaten zu landen. Die 'Delta-8a' steht nach der Landung auf einer weiten Ebene, in der Nähe einer hochaufragenden Felswand. Auf der Erde würde man sie eine Abbruchkante nennen. Die Automatik macht mich auf eine Höhle in der Felswand aufmerksam, deren Ausgang etwa auf Höhe der Ebene liegt.

"Wir steigen in die Raumanzüge!" bestimme ich, zu Mirco gewandt.

Anschließend verlassen wir unser Raumschiff über die Rampe und ich nehme Funkkontakt zu 'Delta-8a' auf:

"Delta-8a! Wenn wir aus der Gefahrenzone sind, startest du und gehst in Warteposition zurück in eine geostationäre Umlaufbahn über diesem Landepunkt! Du achtest auf alle Weltraumkörper in deiner Nähe und weichst jedem aus!"

"Verstanden, Kommandant!"

"Du meldest dich bei Meisterin Dubois, setzt einen Bericht über die Landung ab und fragst nach Master Dayak. Master Dayak soll deinen Treibstoff auffüllen und gegebenenfalls bei dir in der Umlaufbahn warten. Du führst seine Befehle aus!"

"Wird erledigt!"

Nun wandern wir auf den Höhleneingang zu. Nach etwa einem Kilometer lege ich eine kleine Schaumstoffmatte auf den Boden, die ich aus der 'Delta' mitgenommen habe. Mirco legt seine Matte auf einen kleinen Felsen in der Nähe. Wir setzen uns auf die Matten und warten, dass man uns abholt. Während ich mich neben Mirco auf dem Boden niederlasse, beginne ich zu meditieren. Ich suche die Strömungen des Reiki -Lebenskraft, die alles durchdringt-.

So erlebe ich, wie Individuen in Abständen mit hoher Geschwindigkeit vorbeirasen. Irgendwann halten einige Individuen im Inneren der Höhle. Sie beschäftigen sich mit etwas und bewegen sich danach schneller als Fußgänger auf den Höhlenausgang zu. Die Marsianer beschäftigen sich mit Alltagsproblemen. Von keinem geht Hass oder Habgier aus. Das lässt mich in froher Erwartung aus der Meditation erwachen.

*

Minuten später taucht ein Rover im Höhleneingang auf und steuert in unsere Richtung. Es ist ein Fahrzeug für Steinplaneten ohne oder mit giftiger Atmosphäre, oder wie im Falle des Mars mit zu dünner Kohlendioxid-Atmosphäre. Allerdings ist es ein uraltes Modell. Es kommt mit einer Geschwindigkeit auf uns zu, die auf der Erde ein Fahrradfahrer erreichen würde, und besitzt eine hermetisch abgeschlossene Kabine. Wir erheben uns, nehmen unsere Matten auf und gehen dem Fahrzeug entgegen.

Kurz vor uns macht es eine Vierteldrehung und stoppt quer zu unserer Geh-Richtung. Ich sehe im hinteren Bereich einen Raumanzug an der Außenhaut des Fahrzeuges 'kleben'. In diesen Raumanzug kommt jetzt Leben. Dann trennt sich der Anzug vom Fahrzeug und kommt auf uns zu. Einige Minuten später umrundet ein weiterer Marsianer im Raumanzug den Rover und bleibt in der Nähe des Fahrzeuges stehen. Er hat irgendetwas in der Hand und richtet es in unsere Richtung.

Wir nähern uns langsam den Marsianern, die uns um einen Kopf überragen. Ich zeige ihnen meine leeren Hände und lege meine rechte Hand auf die linke Brustseite. Der hintere Marsianer lässt das Teil sinken, das er auf uns gerichtet hat und öffnet eine Fahrzeugtür, nachdem er mehrere Knöpfe daneben gedrückt hat. Der Marsianer, der näher bei uns stehengeblieben ist, macht eine einladende Handbewegung und hilft uns beim Entern des Rovers. Dann schließt er die Tür und kurz darauf höre ich einströmendes Gas.

Im Augenblick befinden wir uns im Innern des Rovers allein. Vielleicht eine Minute darauf öffnen sich beidseitig an der Rückwand des Fahrzeuges Klappen. Zwei großgewachsene dunkelhäutige Marsianer kriechen hindurch, in das Innere des Rovers. Ich erinnere mich an meinen Schulunterricht. Das ist die Technik, mit der man die Mars-Rover seitens der Mars Ressource Corporation vor 500 Jahren ausgestattet hat. Durch die Selbstisolation der Menschen hier hat man also auch den technischen Fortschritt vernachlässigt. Die Raumanzüge der Beiden sind nun luftdicht mit der Karosserie verbunden.

Die beiden Marsianer tragen im Inneren des Rovers keine Atemmasken. Ich hebe meine Hände und mache die Geste, den Bajonett-Verschluss des Helmes zu lösen. Die Marsianer reagieren panisch und bedeuten mir, den Helm aufzulassen und mich in einen freien Sitz zu setzen. So setzen Mirco und ich uns in die Sitze der zweiten Reihe und schauen zu, was nun geschieht.

Die Marsianer starten ihr Fahrzeug und vervollständigen den Halbkreis. Dann fahren sie auf ihrer Spur zurück. Der Rover fährt in die Höhle und bald in eine seitliche Öffnung hinein. Dort stoppen sie das Fahrzeug und öffnen die Seitentür, durch die ich den Rover betreten habe. Anscheinend herrschen draußen jetzt der gleiche Atmosphärendruck und das Gasgemisch wie im Fahrzeug. Zurückblickend kann ich ein Tor erkennen, das diesen Raum von der natürlichen Höhle abschließt.

Die Marsianer gehen auf eine Wand vor sich zu. Einer der Beiden legt seine Hand an das Material. Kurz darauf öffnet sich die Wand und wir gehen hindurch. Irgendwie fühle ich mich, wie in eine irdische U-Bahn versetzt - jedenfalls kommt es mir so vor.

Ein kleiner fensterloser Triebwagen steht am Rand eines Bahnsteiges. Wir besteigen das Fahrzeug und die Marsianer drücken verschiedene Knöpfe. Der Triebwagen beschleunigt sanft, um nach etwa zwei Stunden allmählich abzubremsen. Nachdem das Fahrzeug steht, öffnet sich die Seitentür und wir befinden uns auf einem anderen Bahnsteig.

Unsere Begleiter scheinen es eilig zu haben. Wir betreten gemeinsam einen Aufzug. Nach wenigen Minuten verlassen wir ihn wieder. Die Marsianer in unserer Begleitung übergeben uns an andere Leute in lindgrüner Kleidung, die Atemmasken und jeder eine Gasflasche auf dem Rücken tragen. Man führt uns nun durch eine Luftschleuse in einen spärlich eingerichteten Raum. Hier dürfen wir endlich unsere Raumanzüge ausziehen und erhalten sterile weiße Kleidung. Anschließend lässt man uns erst einmal in Ruhe.

In der nächsten Zeit, ich habe aufgehört die Tage zu zählen, erhalten wir Speisen und Getränke durch eine kleine Schleuse gereicht. Auch unsere Schmutzwäsche nimmt diesen Weg. Sie kommt durch die Schleuse schrankfertig zu uns zurück. Ab und zu erhalten wir Besuch von einem Marsianer in lindgrüner Kleidung, der dann auch immer eine Atemmaske trägt. In den Ruhephasen meditiere ich und schaue mich in der Umgebung um.

Bald habe ich heraus, dass wir uns in einer Quarantänestation unter der Aufsicht von Medizinern und Pflegepersonal befinden. Wir werden intervallartig gründlich untersucht und man verabreicht uns Impfungen gegen mögliche Marsmikroben, die uns gefährlich werden könnten. Auf meine Frage hin, erklärt man uns, dass das seit der Pandemie zwingend erforderlich ist. Ich erinnere mich an den Schulunterricht. Damals haben wir gelernt, dass die Mikroben des Mars die Bevölkerung um die Hälfte reduziert hat, bis die Mediziner ein Mittel gefunden haben.

Irgendwann, bestimmt nach mehreren Wochen, erhalten wir Besuch von einem älteren weißhaarigen Marsianer ohne die übliche Atemmaske. Erstaunt blicken wir ihm entgegen. Er stellt sich höflich vor und erklärt, dass unsere Quarantäne beendet sei und wir zu einem Treffen mit Politikern im 'Amt' eingeladen sind. Er nennt mich 'Excellenz', was mir zeigt, dass man mich als Botschafter akzeptiert.

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