Dienstag, 27. September 2022
Aufbruch ins All -40
"Wie gehen Sie gegen die Irrlehre vor?"

"Eins der Prinzipien unserer Organisation ist die Gelassenheit. Jede Philosophie hat ihre Daseinsberechtigung. Aufgrund der liberalen Verfassung auf Erde und Venus ist ein offenes Zurückdrängen nicht möglich. Unsere Organisation hat eigene Firmen gegründet, die einerseits als Sponsoren unserer Fechtschule offen auftreten. Andererseits treten sie in wirtschaftliche Konkurrenz zur Gegenseite."

"Sie beweisen damit großes Vertrauen in die eigene Stärke!" stellt die Dame fest.

Ich bestätige ihr das nickend und sage:
"Ohne Vertrauen in die eigene Stärke müssten wir uns aufgeben!"

Sie bleibt eine Weile stumm. Dann schaut sie mir direkt in die Augen und stellt fest:

"Der Grund ihres Besuches auf dem Mars ist es also, hier einen Sportverein zu gründen und an Turnieren teilzunehmen. Sie hoffen, dadurch eine perfide Infiltration der Gegenseite frühzeitig aufzudecken! Habe ich recht?"

"Meine Aufgabe ist es," entgegne ich ihr lächelnd, "einen unverbindlichen Dialog zu beginnen. Dazu gehört natürlich, Ihnen offen und ehrlich zu sagen, worum es geht. Dann greift unser Prinzip Gelassenheit: Was Sie mit der Information anfangen, ist ihre Sache. Wenn sich ein paar Mitglieder unserer Organisation auf dem Mars niederlassen und einen Sportverein gründen dürfen, wäre für uns viel gewonnen. Natürlich wollen wir unsere Informationen, die wir beim Sport gewinnen, gerne mit Ihnen teilen - wenn Sie das wünschen."

"Okay, Eure Excellenz. Das wäre erst einmal alles. Darf ich Ihnen ein Hotel empfehlen? Ein Mitarbeiter führt Sie dorthin. Wir werden uns dann für weitere Gespräche wieder bei Ihnen melden."

"Das ist sehr nett," antworte ich.

Frau Ndluvo hat sich erhoben, während sie spricht. Also erheben wir uns nun auch. Sie spricht in ihren Kommunikator und kurz darauf tritt eine junge Marsianerin zur Tür herein.

"Bringe den Herrn Botschafter und seinen Assistenten zum Presidential Hotel, Amahle! Er ist Gast des Präsidenten. Erwähne das an der Rezeption!"

"Zu Diensten, verehrte Frau Ndluvo!"

Anschließend will ich mich von der Dame verabschieden und strecke ihr meine Hand zum Gruß hin. Frau Ndluvo lächelt entschuldigend, zeigt ihre offene Hand und legt sie sich auf die Herzgegend.

'Oh,' denke ich. 'Da habe ich wohl beinahe einen Faux pas begangen.'

Hier grüßt man sich anders als auf der Erde oder der Venus.

*

Unsere Führerin geleitet uns in den großen Raum des Eingangsbereiches zurück. Unten angekommen strebt sie den Eingangstüren aus buntem Glas zu. Sie öffnen sich bei Annäherung und wir treten unter den Überhang, wo eine Reihe von Fahrzeugen in einer Haltespur stehen. Wir folgen ihr zum vordersten Fahrzeug. Sie öffnet die Tür und lässt uns zuerst einsteigen. Danach setzt sie sich zu uns und bedient ein Panel. Nachdem sie den Startknopf gedrückt hat, klickt es leise in den Fahrzeugtüren und der Wagen setzt sich wie von Geisterhand in Bewegung.

"Ah, ein selbstfahrender Wagen mit Elektroantrieb!" entfährt es mir.

Sie nickt mir lächelnd zu. Unterwegs frage ich sie, seit wann die Menschen auf dem Mars sich nicht mehr die Hände schütteln, bei Begrüßung und Abschied. Sie erklärt mir, dass sie darüber im Geschichtsunterricht gehört hat. Seit es vor Jahrhunderten zu einer schlimmen Pandemie gekommen ist, wird das Händeschütteln nicht mehr praktiziert.

"Okay, das verstehe ich," antworte ich ihr.

Bald darauf verlässt der Wagen die Straße und reiht sich auf einer Haltespur hinten ein. Wir verlassen das Fahrzeug und folgen der jungen Frau ins Foyer dieses Hauses.

Die Einrichtung ähnelt der im Amt, nur dass über dem Tresen das Firmenschild mit goldenen Lettern prangt. 'Presidential Hotel' lese ich darauf in leicht veränderter Schrift. Amahle, die junge Angestellte aus dem Präsidial-Amt, erklärt der Frau hinter dem Tresen:

"Sol. Diese Herren Botschafter sind Gäste des Präsidenten! Bitte, geben Sie Ihnen eine angemessene Suite für die Dauer ihres Aufenthalts."

Die Frau nickt lächelnd und wendet sich an uns. Bevor sie ihr Wort an uns richten kann, verabschiedet sich die junge Führerin:

"Sie erhalten alles Weitere vom Hotel-Personal. Scheuen Sie sich nicht, Wünsche zu äußern! Ich ziehe mich jetzt zurück."

Ich neige meinen Kopf und lege meine Hand auf mein Herz.

"Möge Ihre Lebenskraft Sie immer begleiten!" antworte ich ihr lächelnd.

Sie schaut mich irritiert an und meint noch "Auf Wiedersehen!" Anschließend wendet sie sich um und verlässt das Hotel.

Nun lenkt die Rezeptionskraft des Hotels unsere Aufmerksamkeit auf sich.

"Sol. Darf ich Ihre geschätzten Namen erfahren, Eure Excellenz?"

"Gerne," antworte ich und ergänze: "Ich bin Chisei Florian Myers aus Ishtar City auf der Venus. Mein Assistent heißt Mirco Myers und kommt ebenfalls von der Venus."

"Okay, vielen Dank, Eure Excellenz. Warten Sie bitte einen kleinen Moment. Man wird Sie gleich zu ihrer Suite führen."

Ich nicke freundlich lächelnd, während sie einen Kommunikator vom Tresen in die Hand nimmt und hineinspricht. Kurz darauf kommt ein junger Mann heran und orientiert sich kurz. Die Rezeptionskraft sagt zu ihm:

"Thato, bringe die Herren Botschafter bitte in die Suite A."

Der junge Mann nickt und wendet sich an Mirco, der den kleinen Koffer mit unseren wenigen Habseligkeiten trägt.

"Sol, Eure Excellenz. Darf ich Ihnen den Koffer tragen?"

Mirco schaut mich an. Ich nicke ihm lächelnd zu, also gibt er unseren Koffer an den jungen Mann weiter. Dieser wendet sich nun in Richtung Treppenhaus und fordert uns höflich auf, ihm zu folgen. Wir gehen auf den Aufzug zu und fahren mit ihm nach oben. In der obersten Etage angekommen, treten wir ins Freie, als sich der Aufzug öffnet. Wir stehen in einer Parklandschaft, die man auf dem Dach des Hotels angepflanzt hat. Tageslichtlampen an der Decke des Lavatunnels erhellen die Szene und lassen die Pflanzen Chlorophyll bilden. In regelmäßigen Abständen stehen eiförmige Häuser zwischen den Pflanzen. Wir gehen auf das uns Nächststehende zu und unser Führer öffnet die Tür mit einer Plastikkarte. Dann reicht er die Karte an mich weiter und bemerkt:

"Ihr Schlüssel, Excellenz. Kommen Sie bitte weiter. Ich zeige Ihnen alles."

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