Mittwoch, 12. Oktober 2022
Aufbruch ins All -45
Endlich kann ich mich um den Einwanderer von der Erde kümmern, der seit fast fünf Marsjahren in Olympia wohnt und anfangs in der wissenschaftlichen Abteilung im Präsidialamt gearbeitet hat.

*

Ich, Florian Myers, rufe Tim Armstrong über seinen Bürokontakt an. Eine weibliche Stimme meldet sich:

"Badtechnik Armstrong. Wie kann ich Ihnen dienen?"

'Ups,' denke ich. 'Auf der Venus und der Erde würde ich beim ersten Kontakt gefragt 'Was kann ich für Sie tun?'.

Ich lächele in die Kamera und erkläre:
"Ich habe gerade eine Sportschule gegründet und die dafür benötigte Immobilie bezogen. Darüber möchte ich gerne mit Mister Armstrong reden. Könnten Sie mir einen Termin machen?"

Die Frau wendet sich etwas ab. Sicher tippt sie auf einer Tastatur herum. Kurz darauf wendet sie sich mir wieder zu, lächelt und nennt mir Datum und Uhrzeit, an dem der Chef Zeit für mich hätte. Ich lächele zurück, nicke und bestätige, dass ich dann anwesend sein werde. Nun fragt sie mich nach meinem Namen.

"Florian Myers von der 'Ringer Schule Olympia'," antworte ich ihr bereitwillig.

Wieder tippt sie auf der Tastatur herum, um sich danach von mir zu verabschieden. Im Internetauftritt der 'Badtechnik Armstrong' steht auch seine Adresse. Etwa eine dreiviertel Stunde vor dem vereinbarten Termin nehme ich einen der selbstfahrenden Wagen vor unserem Eingang und lasse mich zu der angegebenen Adresse bringen. Dort betrete ich das Foyer und frage die Concierge hinter dem Tresen nach der Firma des Mister Armstrong.

Sie weist zum Innenhof des Wohnblocks und nennt mir die Laden-Nummer. Ich bedanke mich freundlich, durchschreite das Foyer und verlasse es durch den Hinterausgang. Draußen orientiere ich mich an den Laden-Nummern rechts und links und entscheide mich für den linken Weg unter der Balustrade entlang. Bald sehe ich das Schaufenster der Firma, die ich suche. Das Geschäft betretend, klingt eine helle Glocke auf. Im Hintergrund des kleinen Ladenlokals schaut eine junge Frau hinter ihrem Schreibtisch auf.

"Sol!" begrüßt sie mich. "Willkommen bei Badtechnik Armstrong. Wie kann ich Ihnen dienen?"

'Oh,' denke ich und lächele. 'Das ist hier wohl die Kundenansprache. Das muss ich mir für meine Sportschule merken.'

Laut sage ich:
"Ich habe einen Termin bei Mister Armstrong. Mein Name ist Myers."

Sie schaut auf den Bildschirm vor sich, nickt und schaut dann wieder auf.

"Setzen Sie sich bitte kurz, Mister Myers," fordert sie mich freundlich auf. "Ich informiere Mister Armstrong sofort!"

Auf der Seite stehen ein paar Sessel. Mich darauf niederlassend, harre ich der Dinge. Wenig später öffnet sich im Hintergrund eine Tür. Heraus tritt ein mittelalter Mann in der Statur eines Erdenbürgers. Ich erhebe mich und trete zwei Schritte vor. Mein Gegenüber lächelt mich professionell an und hebt die rechte Hand vor die linke Brustseite. Dabei grüßt er mich:

"Sol, Mister Myers! Kommen Sie doch bitte herein!"

Ich mache seine Begrüßungsgeste nach. Inzwischen habe ich gelernt, wie man sich auf dem Mars grüßt und kenne auch den Hintergrund dazu. Danach folge ich ihm in sein Büro, das sich als das Entwicklungsbüro eines Ingenieurs entpuppt. Er bietet mir an, seitlich an einem kleinen Besprechungstisch Platz zu nehmen, während er selbst an einen Automaten geht und ihm zwei Gläser Tee entnimmt.

Damit kommt er nun ebenfalls zum Tisch und bietet mir ein Glas an. Ich nicke und anschließend nimmt er mir gegenüber Platz.

"Sie haben gerade eine Immobilie erworben und möchten darin eine Sportschule einrichten?" fragt er, und schaut mich gespannt an.

Leicht den Kopf schüttelnd, erkläre ich ihm:
"Wir befinden uns jetzt schon 14 Marsmonate auf dem Mars. Aktuell haben wir die erworbene Immobilie bezugsfertig ausgestattet. Die Gestaltung der sanitären Anlagen wurde von einer Firma ausgeführt, die Sie lobend erwähnt hat. Man hat vor etwa vier Marsjahren das Bad in ihrer Privatwohnung nach ihren Plänen umgestaltet, hörte ich. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich über Sie erkundigt.
Dabei hörte ich, dass Sie sich gerade um die Genesung eines jungen, ehemals vielversprechenden Sporttalents mittels Sponsorings kümmern. Das finde ich äußerst lobenswert, Herr Armstrong!"

"Hm," meint er und seine Stirn legt sich in Falten. "Um mir das zu sagen, haben Sie sich extra einen Termin geben lassen?"

Nun grinse ich breit und entgegne:
"Ich bin gekommen, um Ihnen ein Angebot zu machen. Meine Sportschule braucht Schüler. Da dachte ich, wenn Sie ihren Schützling bei mir trainieren lassen, könnten wir ihn an die Spitze des Sports zurückbringen. Natürlich sage ich ähnliches zu jedem Interessenten. Ob es gelingt, hängt vom persönlichen Ehrgeiz des Sportlers ab."

"Okay, und was würde mich das Training in ihrer Schule kosten?" fragt er geschäftsmäßig zurück.

"Ich habe vor, meine Schule genauso zu führen, wie die Schule geführt wurde, die ich vor Jahren in Ishtar City auf der Venus besucht habe," erkläre ich. "Dort erhält man ein Zimmer in der Schule und einen Trainingsplan, wie früher in der Schule der Stundenplan. Nennen wir die Sportschule also eher ein Sportinternat, das den Schüler trainiert und zu kleineren Wettkämpfen bringt, um ihm die Sicherheit im Wettkampf zu geben. Neben Wohnung, erhält der Schüler auch Nahrung und Kleidung in der Schule. Neben dem Sport erhält der Schüler auch Unterweisung in asiatischer Verteidigungstechnik und Meditation. Die Meditation soll seinen Charakter bilden, ihm Gelassenheit und Geduld in allen Lebenssituationen lehren.
Der Schüler durchläuft während des sportlichen Trainings mehrere Stufen. Die unterste Stufe ist der 'Anfänger'. Die nächste Stufe ist der 'Fortgeschrittene'. Dann folgt schon der 'Meister'. Die letzte Stufe nannte sich auf der Venus 'Chisei'. Das ist eine Abkürzung des japanischen 'Chiseihito'. Dazu muss ich noch sagen, der Gründer der Schule und mehrere andere Leitungskräfte entstammten der japanischen Ethnie aus der Region Nordamerika. 'Chiseihito', oder kurz 'Chisei' bedeutet 'Mann mit Geisteskraft'. Damit ist schon gesagt, dass der durch die Meditation gebildete Charakter den höchsten Stellenwert hat! Was nützt es, wenn der Sportler seinem Gegner aggressiv gegenübertritt. Damit verletzt er sportliche Regeln und er kann auch unterliegen, weil er nicht rational überlegt kontert."

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