Dienstag, 18. Oktober 2022
Aufbruch ins All -47
Nun schlage ich die Decke ganz zur Seite und drehe mich zum Bettrand. Mister Willows reicht mir die Unterarmstützen und ich erhebe mich aus der sitzenden Stellung. Jetzt stehe ich vor den Leuten und gehe selbständig ein paar Schritte im Zimmer auf und ab.

"Warst du schon einmal die Treppe hinunter?" fragt mich der White nun.

"Leider nein, nur zwischen Bett und Bad hin und her. Herr und Frau Willows versorgen mich sehr gut!" lobe ich meine Sponsoren.

"Würdest du es denn die Treppe hinunter schaffen?" fragt mich der White jetzt. "Hat man dir beigebracht, wie man mit Unterarmstützen die Treppe nutzt?"

Ich nicke und bestätige es ihm:
"Ja, in der Klinik hat man es mir gezeigt."

Der White geht zur Zimmertür und öffnet sie. Dann wendet er sich zu mir um und sagt:

"Gut, dann zeige es mir."

Ich gehe Schritt für Schritt zur Treppe, nehme dort die rechte Krücke so in die linke Hand, dass sie den Griff der linken Krücke und das Rohr der rechten Krücke umfasst. Dann stelle ich die Linke Krücke eine Stufe tiefer und fasse den rechten Handlauf der Treppe. Anschließend setze ich meine Füße nacheinander auf die Stufe.

Der White begleitet mich, neben mir gehend, die Treppe hinunter. Dabei passt er seine Geschwindigkeit der meinen an. Unterwegs meint er:

"Übernimm dich nicht, Ramaphosa! Sobald du merkst, es geht nicht mehr weiter, bleib stehen!"

Ich nicke und nehme die nächste Stufe. Als wir unten angekommen sind, schwanke ich ein wenig und nehme schnell die rechte Krücke in die Hand, um einen sichereren Stand zu haben. Der White schaut mich an und stellt fest:

"Du hast ja Schweißperlen auf der Stirn!"

Schnell nimmt er sein Taschentuch aus der Hose und wischt mir über die Stirn. Er legt mir seine Hand auf das Herz und sagt mit vorwurfsvoller Stimme:

"Dein Herzschlag ist auch ungesund schnell! Warum hast du auf der Treppe nicht gestoppt! Kein falscher Ehrgeiz, mein Junge! Für heute soll es gut sein."

Dabei schüttelt er den Kopf leicht und legt seine Stirn in Falten. Unvermittelt fasst er zu und legt mich über seine linke Schulter. Mister Willows und die Besucherin sind uns gefolgt. Mein Sponsor bückt sich und nimmt die bei der Aktion hingefallenen Unterarmstützen auf. So gehen wir wieder nach oben und der White legt mich vorsichtig wieder auf mein Pflegebett zurück.

Zu Mister Willows gewandt, sagt er danach:
"Ich denke, er macht sich. Sein Feuer ist noch nicht erloschen!"

Mein Sponsor nickt. Er macht ein zufriedenes Gesicht. Danach geht er mit den Besuchern die Treppe wieder hinunter. Ich dagegen lege mich relaxend in die Kissen.

*

Vor zwei Wochen sind die unbekannten Leute bei Mister Willows zu Besuch gewesen. Ich habe Frau Willows an dem Abend noch gefragt, wer die Leute sind und sie hat mir geantwortet:

"Das sind deine neuen Sponsoren, Ramaphosa. Sie haben den Lauf im TV verfolgt und sind sofort losgefahren, um Mister Willows noch im Stadion anzusprechen.
Das sind wohl schwerreiche Leute. Er arbeitet im 'Amt'! Sie haben genug Geld, um all die medizinischen Hilfsmittel zu bezahlen. Sie kosten viel Geld und werden von der Krankenversicherung nicht voll gedeckt."

"Aber wieso?" habe ich verunsichert geantwortet.

"Mach dir nicht so viele Gedanken, Ramaphosa!" hat sie daraufhin gesagt. "Wir wollen dein Bestes und sehen darin eine Chance für dich. Schau, wir haben uns nicht um einen anderen Sponsor bemüht. Du hättest gerne bei uns bleiben können. Aber den Herrn hat dir wohl der Himmel gesandt - und da wollen wir deinem Glück nicht im Weg stehen! Mit seinem Geld im Rücken, kommst du sicher wieder auf die Beine und kannst vielleicht sogar wieder Sport treiben. Wir drücken dir jedenfalls alle Daumen und solltest du irgendwann wieder an einem Wettkampf teilnehmen, werden wir unter den Zuschauern sein und dir zujubeln!"

Nach einer ganzen Weile frage ich sie dann:
"Wie heißt der Mann eigentlich?"

"Er heißt Armstrong. Tim Armstrong, mein Junge."

Ich nicke dankbar und sie verlässt mich wieder, um das gebrauchte Geschirr hinunter in die Küche zu tragen.

Inzwischen sind zwei Wochen vergangen und ich habe in der Zeit fleißig auf der Treppe geübt. Als uns die Armstrongs wieder besuchen, treffen sie mich unten im Livingroom an. Wir unterhalten uns bei Tee und Gebäck, während Frau Willows oben in den Räumen rumort. Schließlich kommt sie die Treppe mit einem Koffer hinunter und stellt ihn unten an die Seite. Die Eheleute Willows verabschieden sich herzlich von mir und ich fahre mit den Eheleuten Armstrong in die Stadt hinein. Herr Armstrong trägt mir den Koffer und achtet unterwegs darauf, dass ich nicht stolpere.

In dem Wohnblock angekommen, in dem die Armstrongs wohnen, fahren wir mit dem Aufzug in seine Etage. Dann betrete ich eine Wohnung, die auch mich überzeugt sein lässt, dass meine neuen Sponsoren Geld haben. Besonders das Bad ist eine Wucht!

*

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