Sonntag, 30. Oktober 2022
Aufbruch ins All -51
Seit ich in dieser Schule bin, bezeichnet man mich als Shoden -Anfänger-. Nach mir sind immer mehr Schüler hinzugekommen. Alle sind jünger als ich, denn sie kommen direkt von den allgemeinbildenden Schulen zu uns. Sie haben dann noch keinerlei sportliche Erfahrung. Als Anfänger werden wir in kleinen Klassen von ungefähr einem Dutzend Schülern betreut.

Nun habe ich bemerkt, dass mir die Meditation am besten gelingt, wenn ich allein in meinem Zimmer bin. So habe ich erst die Ruhe, die ich brauche. In meinem Zimmer komme ich wesentlich weiter oder tiefer in meiner Versenkung. Wie mir Master Myers erklärt hat, beginnt die Meditation mit der Selbstbeobachtung während des Sitzens in Ruhe. Ich richte meine Aufmerksamkeit nach innen und höre meinen Gedanken zu. Dabei versuche ich zu ergründen, woher sie kommen, aus welchem Anlass ich gerade diese Gedanken hege. Dabei halte ich keinen der Gedankensplitter an.

Master Myers sagt, dass die Gedanken, die in meinem Kopf kreisen, auch meine Physis beeinflussen. Genau darum geht es hier. Ich soll mich mental auf meine Wettbewerbe vorbereiten lernen und mein Denken in gewisser Weise beeinflussen. Damit erschaffe ich mir hilfreiche Vorstellungen im Geist.

Sobald ich mir bewusst darüber werde, dass vorgestellte Bilder eine Wirkung haben, kann ich das Prinzip für die Beruhigung des Geistes, für die tiefere Meditation und die Entwicklung des Zeugenbewusstseins anwenden.

In meinen Meditationen versuche ich, mich immer weiter zu entwickeln. Ich trete quasi neben mich und beobachte meine Gedanken und Gefühle, mein inneres Wesen also. Mein ICH kann mein inneres Wesen nicht fühlen, das kann es nur selbst tun.

Der innere Beobachter, das 'Zeugenbewusstsein', ist nun das Bewusstsein des inneren Wesens, das geweckt werden muss. Denn solange das innere Wesen sich selbst nicht bewusst erkennt, bleibt es inaktiv - es schläft. In diesem Stadium befinde ich mich noch.

Irgendwann später ist der Quell meiner Gedanken versiegt und ich sehe meine Umgebung in unterschiedlichen Farben. Ich kann meine Zimmernachbarn erspüren und beobachte interessiert die mich umgebenden Strömungen. Es fühlt sich an wie Wellen.

Bald darauf finde ich mich wieder in der Realität zurück. Ich sehe mich auf meinem Bett in Meditationshaltung sitzen und überlege, was ich soeben erlebt habe. Ich schaue auf meine Uhr und entscheide, direkt zu Master Myers zu gehen und ihn zu fragen. Sicher weiß er etwas davon, was ich gerade erlebt habe.

Also verlasse ich mein Zimmer und fahre in die oberste Etage. Jetzt dürfte Master Myers auch in seiner Wohnung sein. Dort angekommen, klopfe ich an und kurz darauf öffnet er mir und bittet mich herein. Wir setzen uns an einen Coffee-table und Master Myers zieht zwei Glas Saft aus dem Automaten.

Danach setzt er sich zu mir und stellt ein Glas vor mich. Ich bedanke mich höflich und berichte ihm von meiner letzten Meditationsübung. Er hört mir interessiert zu und antwortet, als ich geendet habe:

"Keine Sorge, Ramaphosa! Es ist alles in Ordnung. Du bist jetzt schon ein Marsjahr bei uns und deine Methode der Meditation, dir eine stille Ecke zu suchen, ist für den Anfang ein probates Mittel. Nun hast du geschafft, was nicht vielen Leuten gelingt: Du bist in deiner Meditation bis zu Reiki vorgedrungen."

Ich muss ihn gerade etwas verwirrt angeschaut haben. Er lacht kurz auf und erklärt mir:

"Reiki ist wieder ein Ausdruck aus der japanischen Sprache. Irgendwo anders wird es anders heißen. Reiki bedeutet 'Lebenskraft, die alles durchdringt'. Du hast sie farbig und wellenförmig wahrgenommen. Du kannst damit starke Gefühle in deiner Umgebung erspüren. Pastellfarben deuten auf freundliche Gefühle hin und knalliges Rot würde ich als aggressiv deuten. Du musst lernen, sie zu deuten, indem du sie mit den echten Gefühlen in deiner Umgebung vergleichst."

"Oh," mache ich nur. Ich bin sprachlos.

Master Myers dringt nicht weiter in mich. Nachdem ich mein Glas geleert habe, verabschiede ich mich von ihm und will zurück in mein Zimmer gehen. Als ich Master Myers Wohnungstür hinter mir schließen will, ruft er mir "Möge Reiki dich immer begleiten!" hinterher. In meinem Zimmer angekommen, lege ich mich auf mein Bett, verschränke die Hände hinter meinem Kopf und schaue zur Zimmerdecke empor. Die Eröffnung Master Myers muss ich erst einmal verarbeiten.

*

Ich, Florian Myers, habe eben Besuch vom ersten Schüler unserer Schule bekommen. Er zieht sich zum Meditieren nach den Schulstunden in sein Zimmer zurück, um ungestört zu sein. Heute ist es ihm gelungen zu Reiki vorzudringen. Das hat ihn verunsichert und er hat sich bei mir Rat holen wollen.

Meine Erklärung hat ihn nun wohl erst recht verstört. Nun, er wird die Existenz Reikis bald akzeptiert haben und herausfinden, was ihm diese Fähigkeit bringt. Ich informiere die Meister Ntuli und Mnisi davon und wir überlegen, dass wir bald eine Feier zur Höherstufung vornehmen sollten. Dazu schauen wir uns die Leistungen der anderen Schüler an und entscheiden, wen wir in den Stand der Fortgeschrittenen heben wollen.

Anschließend gebe ich den Schülern einen trainingsfreien Tag und lade sie in den Festsaal in der obersten Etage ein. Sie kommen alle, denn sie sind neugierig. Wir lassen sie im hinteren Drittel des Saales Platz nehmen. Meine beiden Mitarbeiter nehmen ihre Plätze im vorderen Drittel ein, wo auf der Venus die Okuden -Meister- gesessen haben. Ich nehme mit dem Gesicht zu den Mitgliedern meiner Schule Platz. Nachdem sich erwartungsvolle Stille breitgemacht hat, beginne ich meine Ansprache.

"Ich grüße euch, Mitglieder unserer Schule! Heute ist ein wichtiger Tag. Einige von euch haben durch Ehrgeiz und Durchhaltevermögen einen höheren Grad erreicht. Sie haben gezeigt, dass sie Respekt, Achtsamkeit und Ehrenhaftigkeit beherzigen. Das wollen wir mit dieser Feier würdigen."

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