Donnerstag, 27. Oktober 2022
Aufbruch ins All -50
Mister Ntuli hat uns gestern zusammen mit Mister Myers durch die Schule geführt und uns eine Kostprobe ihres Könnens gezeigt. Mister Mnisi nickt mir zu und erwidert:

"Du hast hier in der Schule verschiedene Fächer. Mister Myers unterrichtet buddhistische Philosophie und Meditation. Mister Ntuli unterrichtet Ringen und ich bin dein Ju-Jutsu-Lehrer. Ju-Jutsu lernst du zum Ausgleich, damit du dich auch mit etwas anderem beschäftigst. Dein Ringer-Training hat allerdings Vorrang. Es darf nicht vernachlässigt werden. Die Meditationsübungen sollen dir helfen, in allen Lebenslagen achtsam und ausgeglichen zu bleiben."

Ich hebe mein Kinn etwas und antworte: "Ahso."

Er führt mich zum Aufzug, bringt mich in die Etage mit den Schüler-Wohnungen und führt mich einen Gang entlang. Vor einer der vielen Türen bleibt er stehen und weist auf die Zahl, die in Brusthöhe auf der Tür prangt.

"Ihr Zimmer hat die Nummer B12 hier in der Etage, wie sie sehen. Es gibt hier die Gänge A und B mit insgesamt 48 Zimmern."

Mister Mnisi nimmt eine Karte zur Hand und hält sie an den Schließmechanismus. Sofort klickt es leise und die Tür springt auf. Er gibt mir die Karte und bemerkt dabei:

"Verlieren Sie sie nicht!"

Jetzt betritt er mit mir den Raum, der etwa 2,40 Meter mal 4 Meter misst. Links vom Eingang sehe ich eine Reihe raumhoher Schiebetüren. Auf der rechten Seite hat man ein Bett und einen Schreibtisch eingebaut. An der gegenüberliegenden Stirnseite sehe ich einen zwei Meter breiten Monitor. So ergibt sich ein Fußraum von etwa 1,5 mal 4 Metern, in dem auch noch ein Sessel steht, um entspannt das Programm auf dem Monitor zu verfolgen.

Mister Mnisi öffnet nun eine der Schiebetüren und zeigt mir, dass sich dahinter ein Schrank von etwa 60 cm Tiefe befindet. Mister Myers hat mir gestern schon gesagt, dass ich bis auf genügend Unterwäsche keine Kleidung mitbringen brauche. Meine Hygiene-Artikel habe ich natürlich auch dabei. Im Schrank finde ich ähnliche Kleidung, wie sie Mister Mnisi trägt. Also lege ich den Inhalt meiner Reisetasche fein säuberlich gestapelt auf die freien Regale.

Mister Mnisi klappt im unteren Bereich des Wäscheschrankes einen Behälter auf und zeigt mir, dass sich darin ein Beutel befindet.

"Dies ist ihr Wäschebeutel," erklärt er. "Wenn er voll ist, stellen Sie ihn vor die Tür. In regelmäßigen Abständen wird er abgeholt und wenig später liegt die frisch gewaschene Wäsche auf dem Tisch vor ihrer Tür."

'Ah,' denke ich, 'dafür steht vor jeder Tür ein Tischchen.'

Es handelt sich um ein Möbel, etwa 40 mal 40 cm im Quadrat und 70 cm hoch. Es ist mit zwei Regalen ausgestattet. Mister Mnisi ist schon weitergegangen. Im hinteren Bereich des Raumes neben dem Schrank öffnet er per Knopfdruck eine weitere Tür. Dazu sagt er:

"Schauen Sie über der Tür auf das dunkle Rechteck. Wenn es Rot leuchtet ist besetzt. Wenn nicht, so wie jetzt, können Sie den Sanitärraum betreten. In der Wand gegenüber sehen sie eine weitere Tür. Sie ist jetzt gesperrt und kann erst geöffnet werden, wenn wir wieder ins Zimmer zurückgehen. Hier finden Sie Waschbecken, Toilette und Dusche. Im verspiegelten Hängeschrank können Sie auf der einen Seite ihre Hygieneartikel unterbringen. Fehlt ihnen irgendwann etwas, legen Sie ihrem Wäschebeutel eine Notiz bei. Sie erhalten dann Ersatz."

Wir gehen wieder zurück in mein Zimmer. Er deutet auf die leuchtend rote Fläche über der Tür. Dann drückt er den Knopf und die Tür fährt zu. Einige Sekunden danach schaltet sich die Lampe aus.

"Jetzt hat der Bewegungsmelder nebenan festgestellt, dass der Sanitärraum leer ist," kommentiert er das und zieht einen Bogen Papier aus seiner Mappe. "Bevor ich das vergesse: Dies ist ihr Plan! Versuchen Sie ihn so genau wie möglich einzuhalten!"

"Okay," meine ich und schaue darauf.

Es handelt sich um eine Art Stundenplan. Außen stehen die Wochentage und Uhrzeiten und innen die Kurse und Räumlichkeiten mit römischen Ziffern für Etage, Buchstaben für Gang und Nummer für Zimmertür. Während sich der Mister nun verabschiedet, lasse ich mich in den Sessel fallen und atme erst einmal tief durch. Mir ist etwas flau zumute, sicher weil für mich noch alles so neu ist.

*

Jetzt bin ich schon ein Jahr in der 'Ringer Schule Olympia'. Zu Beginn ist mir nicht ganz klar gewesen, wozu ich Meditation gebrauchen kann. Master Mnisi hat zwar gesagt, dass ich durch die Anwendung achtsam und ausgeglichen in die Wettbewerbe gehen kann und damit meinen Gegnern mental überlegen wäre. Also versuche ich mein Möglichstes, bei Master Myers im Unterricht zur Ruhe zu kommen und mich 'fallen zu lassen'. Die Kurse haben schnell begonnen mir Spaß zu machen. Das ist doch das Wichtigste, denke ich.

Dann fällt mir auf, dass ich bei zunehmender Fertigkeit und Tiefe der Meditation mehr auf den Sparringsgegner in den parallelen Ringer- und Ju-Jutsu-Kursen eingehen kann. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich seine nächste Aktion vorausahne und entsprechend schnell reagiere. Nur bei den Lehrern gelingt mir das nicht so gut.

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