Samstag, 15. Oktober 2022
Aufbruch ins All -46
"Das ist sehr interessant zu hören," meint mein Gegenüber nun, "aber das beantwortet nicht meine Frage zu den Kosten ihrer Schule."

"Richtig," gebe ich ihm Recht. "Ihr Schützling wird Preisgelder bekommen. Die gehören der Schule. Der Sportler kann die Medaillen und die Urkunden behalten. Daneben sucht die Schule unter den Firmen Sponsoren, die die Schule bezuschussen möchten, weil ihnen das Konzept zusagt. Wenn also ihre Firma einen Sponsoring-Vertrag abschließen möchte, dann würden wir uns sicher freuen."

"Ah, okay," antwortet Mister Armstrong. "Aber bevor wir zusagen, möchte ich gerne einmal ihre Schule von innen sehen!"

"Gern," antworte ich. "Kommen Sie gerne zu uns und lassen sich führen. Bringen Sie ruhig auch ihren Schützling mit und lassen Sie ihn das eine oder andere Trainingsgerät ausprobieren."

"Das ist eine gute Idee!" pflichtet Mister Armstrong mir bei. "Und einen Termin brauchen wir dafür nicht?"

"Nein," bestätige ich. "Kommen Sie, wann Sie Zeit übrighaben!"

*

Mein Name ist Ramaphosa. Ich habe lange trainiert für den Lauf im Stadtstadion von Olympia. Gleich nach der Schule habe ich damit angefangen. Mein Sportclub hat es schnell geschafft, dass ein Sponsor auf mich aufmerksam wurde. Man hat meine bisherigen Leistungen und meinen Ehrgeiz gelobt, und so hat sich Mister Willows, wie mein Sponsor heißt, sich bereit erklärt, meine Trainingskosten zu übernehmen.

Endlich ist es soweit. Mit 11 Jahren und 14 Monaten bin ich zwar der Jüngste am Start, aber ich habe schon bei einigen kleineren Wettbewerben einen Treppchenplatz erreicht. Jetzt stehe ich im Stadtstadion von Olympia, unserer Hauptstadt, am Start und warte mit den anderen Läufern auf das Signal. Als es kommt, erwische ich einen guten Start und kann mich mit drei weiteren Läufern hinter die Spitzengruppe setzen.

Mein Trainer hat mir eingeschärft, mit meinen Kräften zu haushalten und die Position zu halten. So kann ich kurz vor Erreichen des Zieles einen Spurt hinlegen und versuchen, zumindest unter die ersten Drei zu kommen, um wieder auf dem Treppchen zu stehen. Der Lauf im Stadtstadion von Olympia ist für mich der erste Lauf, der im TV übertragen wird, und daher ist er für meine Karriere schon wichtig.

Zwölf Runden muss ich durchhalten, um ins Ziel zu kommen. Nun kommen wir schon wieder aus einer Kurve und laufen in die nächste Gerade. Zwar habe ich mir einen halben Schritt Vorsprung erkämpft und bin damit der Vorderste der Verfolgergruppe. Einer der anderen in der Verfolgergruppe ist mir aber direkt auf den Fersen.

Mein Trainer hat mir eindringlich gesagt, mich nach vorne zu konzentrieren. Also kümmert mich der Zweikampf in meinem Rücken nicht weiter. Mit einem kurzen Zwischenspurt versuche ich, Abstand zu meinem Nebenmann zu gewinnen. Ich lege etwas an Tempo zu und halte damit Abstand zu meinem Verfolger. Am Ende der Geraden holt mein Nebenmann auf und läuft nahe neben mir. Plötzlich der Bodycheck!
Mit einem Aufstöhnen lande ich im Sand und rutsche ein gutes Stück über den Bodenbelag, bis ich liegenbleibe.

Wenig später ist das Sanitätsteam mit einer Trage bei mir und hebt mich darauf. Anschließend laufen sie mit mir auf der Trage zwischen sich zu einer der Sanitätsstationen, die am Rand des Stadion-Ovals angeordnet sind. Ich bin zu benommen, um irgendetwas machen zu können.

Mit ruhigen Worten schaffen es die Sanitäter, mir etwas von der Erregung zu nehmen. Ich habe gar nicht bemerkt, wie sehr ich mich verkrampft habe. Anschließend werden die Wunden mit angenehm warmem Wasser gewaschen und die Abschürfungen behandelt. Eine davon muss bandagiert werden, nachdem sie eine kühle Salbe aufgetragen haben.

Mister Willows, mein Sponsor, ist inzwischen gemeinsam mit meinem Trainer bei mir in der Sanitätsstation angekommen. Ich kann die beiden Männer nur kurz sehen, dann schieben die Sanitäter die Liege, auf die sie mich verfrachtet haben, im Laufschritt zum Stadionarzt. Dort werde ich sofort durch den Computer-Tomographen geschoben. Das rechte Schien- und das Wadenbein sind gebrochen. Mir steht nun wohl ein langwieriger Heilungsprozess mit einer Schiene bevor, in der ich nicht trainieren kann.

Der heutige Lauf ist für mich vorzeitig zu Ende. Wer ihn gewinnt, interessiert mich nun nicht mehr. Der Mediziner macht die Papiere fertig für eine Operation im hiesigen Hospital. Kurz kommt ein mir unbekannter Besucher hinzu und bittet Mister Willows vor die Tür meines Zimmers. Er hat helle Haut und helle Haare. Albinos werden immer wieder einmal geboren, aber dieser hier ist breit und muskulös.

Danach kommt ein Sanitäter zu mir mit einer Schiene in der Hand. Er legt sie mir an und schließlich werde ich in einem Sanitätsfahrzeug in das Hospital gebracht, wo ich unter Narkose operiert werde. Als ich aus der Narkose erwache, muss ich noch eine Woche im Bett liegen. Die Pfleger nennen die hiesige Station im Hospital sinnigerweise 'die Knochenstation'.

Danach soll ich unter ihrer Anleitung das Gehen an Unterarmstützen lernen. Darunter fällt auch, wie man damit Treppen überwindet. Anschließend holt mich mein Sponsor zu sich. So kann er den Heilungsprozess am besten überwachen, meint er.

Wir fahren zu ihm aus der Stadt hinaus. Er hat eine Farm, in der er Bambus züchtet, das von Zeit zu Zeit geschnitten werden muss und an Möbelfirmen verkauft wird. In seinem Farmhaus hat er ein Zimmer für mich mit einem Pflegebett eingerichtet. So liege ich die meiste Zeit herum. Nur ins Bad und für kleine Spaziergänge auf dem Gang vor meinem Zimmer gehe ich an Unterarmstützen herum.

Irgendwann erhält Mister Willows Besuch. Seine Frau bewirtet die Gäste in der unteren Etage im Livingroom. Nach einiger Zeit führt Mister Willows die Leute die Treppe hoch und betritt mit ihnen mein Zimmer. Sofort erkenne ich den White wieder. In seiner Begleitung kommt eine Frau ins Zimmer, die etwa 5 Marsjahre älter als ich zu sein scheint.

Mister Willows schlägt die Decke an einer unteren Ecke zurück und zeigt den Besuchern meine Schiene.

"Sie sehen die Schiene? Sie dient der Unterstützung. Innen an Waden- und Schienbein ist er verschraubt worden. In zehn Monaten wird er noch einmal operiert und das Metall entfernt. Dann braucht es noch ein paar Wochen, bis die Schraubenlöcher zugewachsen sind."

"Ah, okay," meint der White. "Er braucht aber sicher Hilfe zum Aufstehen?"

Mister Willows schüttelt den Kopf und erklärt:
"Ramaphosa kann selbständig aufstehen und zur Toilette gehen. Zeig' es den Herrschaften, mein Junge."

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