Donnerstag, 16. März 2023
Neue Heimat L98 59b (13)
-9:15 Uhr-
Nach einer Weile komme ich zuhause an. Ich frage mich, ob jemand sagen kann, dass ich mich heute anders benehme als sonst? Ich gehe in die Küche und lasse die Automatik einen Einkaufszettel für das Lebensmittelgeschäft ausstellen. Routinemäßig schaue ich noch einmal drüber, dann lasse ich die Automatik die Einkaufsliste absenden.

Anschließend nehme ich den Handkarren aus der Nische, klappe ihn auseinander und fahre mit dem Aufzug auf die Ebene mit dem Einkaufszentrum. Im Lebensmittelgeschäft übernehme ich den gepackten Karton mit meinem Einkauf und halte meine Karte über das Lesegerät des Angestellten. Kann er einen Unterschied in meinem Verhalten erkennen?

Nein, sie haben es nicht erkannt. Oder sie haben zumindest nicht erkennen lassen, dass sie etwas erkannt haben. Sie sind genauso freundlich gewesen, wie immer. Ein wenig enttäuscht darüber bin ich schon. Ich fühle mich anders. Also warum sollten sie nicht bemerken, dass ich anders bin als sonst?

Seien wir doch einmal ehrlich: Die Leute zerreißen sich immer ihr Mundwerk über andere Leute. Sie sind damit beschäftigt, ihre Mitmenschen zu beobachten. Sie erzählen sich Dinge wie: Hast du nicht auch bemerkt, dass sie heute irgendwie anders ist als sonst? Dass sie vielleicht anders spricht, geht und sich anders verhält. Und sie fantasieren sich die abenteuerlichsten Gründe für das beobachtete Verhalten herbei.

Vielleicht geht das Getuschel ja hinter meinem Rücken los, wenn ich außer Hör- und Sichtweite bin. Macht nichts! Ich kümmere mich um das Lebensmittelpaket, fahre es nach dem Bezahlen aus dem Geschäft und zum Aufzug. Kurz darauf bin ich in unserer Wohnung zurück. Ich öffne das Paket, stelle die einzelnen Packungen auf das Laufband in der Küche und lasse die Automatik die Lebensmittel ordentlich lagern.

-11:10 Uhr-
Ich bin Raimond sehr dankbar, dass ich heute nicht arbeiten gehen muss, während er mir die Aufgabe gibt, für ihn keusch zu bleiben. So kann ich mich auf die Sitzlandschaft zurückziehen, die Beine hochlegen und ein Lieblingsbuch lesen. Aber das E-book weckt Gefühle in mir, da ich mit der Protagonistin mitgehe. Ich glaube, es ist doch nicht das richtige Buch für dieses Wochenende.

-11:30 Uhr-
Ich lege den E-book-Reader zur Seite. Nun verspüre ich ein Hungergefühl. Das lenkt mich zumindest vorerst ab. Ich gehe also in die Küche und lasse mir von der Automatik ein Menü vorschlagen. Unter den drei Vorschlägen für eine Person ist sogar mein Lieblingsmenü! Erfreut fordere ich das Menü an.

Es dauert eine dreiviertel Stunde bis die Automatik mit einem hellen Ton die Fertigstellung bekannt gibt. Ich nehme das Menü aus dem Ausgabefach und gehe damit zu unserem Esstisch. Nach dem Essen bringe ich Teller und Besteck in die Küche zurück und stelle sie in die Spülmaschine. Sie wird das Geschirr säubern und in den Vorratsschrank befördern, aus dem sich die Automatik bedient, um die Menüs anzurichten.

Nun gehe ich wieder ins Wohnzimmer zurück, setze mich auf die Sitzlandschaft und nehme die Beine hoch. Womit soll ich mich beschäftigen, um nicht in Versuchung zu kommen?

Ich entscheide mich für den Fernseher und schalte die Mediathek des Earth Broadcast ein. Dabei fällt mir ein Video von einem indigenen Volk im Norden der brasilianischen Region des Südamerikanischen Kontinents ins Auge. Ein Ethnologe hat das Volk besucht und ein Kameramann ist immer an seiner Seite gewesen. Daraus ist die Dokumentation entstanden.

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