Montag, 3. April 2023
Neue Heimat L98 59b (19)
Die Geburt empfinde ich als Erstgebärende als schwierig, aber das Personal strahlt eine solche Ruhe und Zuversicht aus, dass mich das Gefühl ebenfalls trägt. Anschließend bleibe ich noch vier Tage in der Klinik, während mir eine hinzugekommene menschliche Hebamme zeigt, wie ich unser Mädchen am besten stille, wie ich es bade und wickele. Der Pflege-Roboter überprüft täglich meine und Annes Vitalwerte.

Raimond hat mir am Tag der Geburt beigestanden. Jetzt besucht er mich täglich nach Feierabend und sitzt dann eine Stunde an meinem Bett. Er hat Angst, seiner Tochter weh zu tun, deshalb berührt er sie nur mit den Fingerspitzen und streicht ihr zärtlich über Wange, Schulter und Ärmchen. Die Kleine ergreift forsch mit ihren Fingerchen seinen Finger, umschließt ihn und führt ihn vor ihre Lippen. Flugs steckt sein Finger in ihrem Mund und sie beginnt zu saugen. Er lacht verlegen und zieht den Finger wieder zurück. Ich lächele Annes Vater glücklich an.

Beim Verlassen der Klinik bin ich auf mich gestellt, weil Raimond in seiner Firma ist. Ich trage unser Mädchen in einem Tuch liegend unter meiner Jacke zum Foyer und warte, dass das Flugtaxi draußen auf der Landeplattform eintrifft.

In unserer Glaubensgemeinschaft ist es üblich, dass die Mutter zu ihrem Kind eine besondere Bindung eingeht. Das erreicht sie durch Nähe rund um die Uhr. Ich trage also mein Mädchen tagsüber in liegender Position vor der Brust hängend, in einem im Nacken geknoteten Tuch wie in einer Hängematte. Dadurch kann Anne sofort trinken, wenn sie aufwacht. Es gibt kein großes Geschrei, um mich aufmerksam zu machen.

Innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Geburt muss ich mein Mädchen in der Verwaltung anmelden. Ich lade das Formular herunter, fülle es aus und schicke es als E-Mail-Anhang ab.

Einen Monat nach der Geburt haben wir den nächsten Termin in der Geburtsklinik. Der Frauenarzt kontrolliert noch einmal meine und Annes Werte. In dieser Zeit bekomme ich ebenfalls Besuch von Mitarbeitern der Verwaltung, die sehen wollen, ob es uns gut geht. Ab dem zweiten Monat stehen die ersten Impfungen an. Dafür suche ich mir einen Kinderarzt in der Nähe und frage dafür meine beste Freundin nach ihren Erfahrungen.

*

Am Abend des Tages als Sophie mit unserem Mädchen aus der Geburtsklinik nach Hause gekommen ist, komme ich aus der Firma nachhause und sehe sie in der Küche werkeln. Selig schlafend liegt Anne in einem Tuch, wie in einer Hängematte, vor Sophies Brust. Ich umfasse Sophie vorsichtig von hinten und drücke meine Wange an ihre.

"Liebevolle Mutter," begrüße ich sie in sanftem Ton.

Sie lächelt, während sie unser Essen aus dem Ausgabefach nimmt. Ich nehme ihr das Tablett ab und trage die Teller, Schälchen und Gläser an den Esstisch. Dort arrangiere ich das Essen, so dass wir uns nur setzen brauchen.

"Bester Vater!" antwortet sie mir lächelnd und gibt mir im Vorbeigehen einen Kuss.

Als ich mich setze, frage ich Sophie:
"Hast du bei deinem Arbeitgeber schon den Mutterschaftsurlaub beantragt?"

Sie schüttelt den Kopf und entgegnet:
"Das mache ich morgen aber sofort!"

Nach dem Abendessen räume ich den Tisch ab und stelle die Reste auf das Laufband in der Küche. Ich markiere sie als 'Schon zubereitet', so dass die Automatik sie im Kühlschrank deponiert, damit sie innerhalb der nächsten Tage gegessen werden. Anschließend biete ich Sophie an, dass wir im Schlafzimmer noch jeder ein E-book lesen, bis wir müde werden und einschlafen. Unser kleines Mädchen weckt Sophie anfangs alle paar Stunden, ist aber sofort ruhig, wenn sie die Brust bekommt. Später können wir alle drei auf dem breiten Bett durchschlafen.

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