Montag, 15. Mai 2023
Neue Heimat L98 59b (33)
Da ich seine Laute nicht verstehen kann und seine Haut keine Gefühlsäußerung zeigt, springe ich auf und laufe davon. Ich höre Laute aus dem Mund des Himmelswesens hinter mir. Es verfolgt mich. Vor Aufregung werde ich ganz gelb. Also bleibe ich nach einer kurzen Strecke stehen und drehe mich zu ihm um. Mit aller Kraft hole ich mit dem Bogen aus und treffe es, so dass es auf den Rücken fällt. Ich höre einen kurzen Laut und es hebt eine Hand schützend vor sein Gesicht.

Ich bin wütend. Entsprechend färbt sich meine Haut orange. Als es so vor mir liegt, entblöße ich meine Eckzähne und fauche es an:

"Dein Verhalten ist einfach nur traurig! Das Doppelwesen hätte nicht sterben müssen! Es ist alles nur deine Schuld!"

Leider kann ich das Himmelswesen nicht verstehen und es mich wohl auch nicht. Es erhebt sich nun wieder und breitet seine Arme bei hochgezogenen Schultern aus.

Ich wende mich ab und laufe weiter in Richtung auf unseren Heimatbaum zu. Wieder gibt es Laute von sich und läuft mir weiter nach. Es macht viel zu viel Geräusche hier im lebenden Wald. Damit gefährdet es uns beide. Darüber werde ich ganz orange.

Deshalb bleibe ich abrupt stehen und wende mich zu ihm um. Es ist so nah hinter mir, dass es beinahe gegen mich läuft, weil es nicht so schnell stoppen kann. Instinktiv bücke ich mich und das Himmelswesen purzelt über meinen Rücken, um danach auf dem Waldboden zu landen.

Ich sage zu ihm:
"Du solltest nicht hier sein! Geh zu den anderen Himmelswesen zurück!"

Es erhebt sich wieder. Da es natürlich auf meine Aufforderung nicht reagiert, stoße ich ihm beide Hände vor die Brust und wiederhole:

"Geh zurück!"

Ischl, der Gott der Winde und des Atems, weht schon die ganze Zeit sanft durch das Unterholz des Waldes. Plötzlich sehe ich eine ganze Wolke von Samenschirmchen der heiligen Liane, die er vor sich her bläst. Das Himmelswesen steht voll in der Flugrichtung der Schirmchen. Viele davon bleiben an ihm hängen. Meine Augen weiten sich. Es versucht nun, sie durch Pusten und Abstreifen von sich zu entfernen. Ich greife ihm in die Arme und versuche, es von seinem Vorhaben abzuhalten.

"Nein, das ist nicht gut!" erkläre ich ihm.

Hoffentlich versteht es die Gestik. Es schaut mich an und lässt die Samen der heiligen Liane nun in Ruhe. Ich bin überwältigt von der Geste, die nur von den Göttern oder Geistern kommen kann. Flüsternd kommt mir über die Lippen:

"Nur besonders reine Seelen..."

Ein schwacher Windstoß nun, nur ein kurzes Ausatmen unseres Windgottes Ischl, und die Samen fliegen weiter. Das Himmelswesen öffnet den Mund und lässt wieder Töne hören. Ich greife nach seiner Hand, sage "Komm!" und ziehe ihn mit mir fort.

Danach drehe ich mich um und laufe langsam vor ihm her, so dass es mir ohne weiteres folgen kann. Zwischendurch lässt es mich immer wieder kurz Töne hören. Ich sende ihm mit einer grünen Hautfärbung beruhigende Signale.

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