Mittwoch, 5. Juli 2023
Neue Heimat L98 59b (50)
Kurz vor dem Ausgang treffe ich Luke Snider. Er ist vier Jahre älter als ich und arbeitet in der wissenschaftlichen Abteilung des Archivs als Ethnologe. Seine Mutter ist vor fünf Jahren ebenfalls an Krebs gestorben. Man kann sicher davon ausgehen, dass es in jeder Familie einen Krebsfall gibt. Das wird sicher aufhören, wenn alle Raumfahrer verstorben sind, die den Flug von der Erde nach Angion gewagt haben. Lukes Vater ist Biologe.

Er löst sich mit ihm in der Betreuung seiner Geschwister ab, sofern sie noch zuhause wohnen. Bei uns zuhause übernimmt das Mama, wie eh und je. Seit Papa gestorben ist und keine Ob mehr verdient, gebe ich meinen Verdienst zuhause ab. Mama ist inzwischen 64. Ich habe noch drei Geschwister, die auch schon alle eine eigene Familie gegründet haben. Mama verdient sich durch Handarbeiten bei Kleidung und Wohntextilien hier und da noch einen Ob hinzu.

Zum Begrüßen nimmt mich Luke kurz in den Arm. Er lächelt glücklich und fragt:

"Sollen wir heute deine Mutter besuchen?"

Ich bin sofort dafür, denn damit stellt er sich meiner Mutter vor. Also begleitet Luke mich durch die Stadt. Wir gehen unter einer leicht geschwungenen Balustrade entlang. So ähnlich sollen auf der Erde die sogenannten 'Pedways' ausgesehen und funktioniert haben. Auf diesen Wegen treffen wir nur weitere Fußgänger. Eine Etage tiefer fahren elektrisch betriebene Fahrzeuge aller Art.

Unsere Häuser haben meistens kreisförmige Grundrisse. Kleine Fenster aus einem Karbongitter mit kleinen Glasscheiben leiten tagsüber Licht in die Innenräume. Über allem thront jeweils ein Kuppeldach aus Karbon. Auch die Geschoßdecken bestehen aus diesem Material, während die Wände aus Sandstein bestehen, den wir auch um Eseís herum im Boden finden.

Wir gehen bald durch eine schmale Gasse und haben schließlich unser Haus erreicht. Ich öffne die Tür und wir steigen über eine Treppe in den zweiten Stock, wo unsere Wohnung liegt. Ich öffne unsere Wohnung mit meiner Karte und rufe in die Wohnung:

"Hi, Mam! Ich bin zuhause!"

Mama kommt zur Tür und umarmt mich. Danach neigt sie leicht ihren Kopf in Lukes Richtung. Luke stellt sich höflich vor:

"Hallo, guten Abend, Frau Kumari. Mein Name ist Luke Snider."

"Hallo Herr Snider," sagt Mama lächelnd. "Kommen Sie gerne herein. Mögen Sie etwas essen?"

"Gerne," antwortet er und neigt ebenfalls seinen Kopf.

Wir kennen das Händeschütteln nicht. Unsere Eltern haben uns beigebracht, uns stattdessen leicht zu verneigen. So reduzieren wir die Weitergabe von krankmachenden Keimen.

Als wir die Garderobe verlassen und den zentralen Hauptraum betreten, fliegt seitlich eine Tür auf und zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen im Alter von etwa 3 Jahren stürmen heraus. Sie wollen mich begrüßen, verhalten aber im Schritt und wenden sich schüchtern ab, als sie Luke entdecken. Kurz hinter ihnen verlässt meine Schwester Mala das Zimmer und begrüßt uns nun ebenfalls. Danach sagt sie zu ihren Kindern:

"Kommt, wir helfen Oma!"

*

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