Sonntag, 7. August 2022
Aufbruch ins All -23
Nun ist mein Vater Verwaltungsmitarbeiter in der Bäckerinnung von Ishtar City. Er hat mir vor Jahren die Grundausstattung finanziert. Da ich noch im Wachstum gewesen bin, habe ich gebrauchte Fechtkleidung bekommen, die ich von Zeit zu Zeit - wenn es irgendwo gezwickt hat - gegen andere gebrauchte Fechtkleidung tauschen durfte.

Bei den Schülerturnieren habe ich mich hervorgetan, aber bisher hat sich noch keine Firma bei meinen Eltern gemeldet, um mich unter ihre finanziellen Fittiche zu nehmen, damit ich ihre Werbeauftritte bereichern kann. Die Marketing-Chefs der Firmen in Ishtar City produzieren Werbefilme mit Sportlern. Dabei sind Sportstars natürlich besonders gefragt. Ganz klar, von einem Star bin ich noch weit entfernt!

Solange das nicht der Fall ist, muss ich wohl meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Mein Vater ist in seiner Jugend in die Burschenschaft der Innung eingetreten, als er seine Ausbildung in einem Bäckereibetrieb begonnen hat. Unsere Backwaren bestehen aus getrockneten und gemahlenen Mehlwürmern, die auf unserem Bio-Abfall gezüchtet werden.

Ich überlege noch, ob ich in seine Fußstapfen treten und das Fechten in meiner Freizeit ausüben soll, oder ob ich in meinem Sportverein einen Verwaltungsjob bekommen kann. Beide Wege würden mir neben dem Sport Geld bringen. Darum habe ich mich sowohl bei der Innung, als auch bei meinem Verein beworben. Aber auch andere Vereine habe ich angeschrieben. Inzwischen warte ich sehnsüchtig auf irgendeine Reaktion.

Jetzt nach sechs Wochen, kurz vor meinem Abschlusszeugnis, komme ich nachhause, gehe duschen und betrete dann die Küche. Meine Mutter sitzt schon wartend am gedeckten Esstisch, während mein Vater sich an einem kleinen seitlichen Tisch niedergelassen hat und gerade noch eine Datei über sein Tablet bearbeitet.

Ich wende mich zum Kühlschrank und nehme eine Flasche Tee heraus. Die Flasche bringe ich an den Tisch, setze mich und gieße Mama und mir das Glas voll. Dann frage ich Papa:

"Möchtest du auch Tee, Papa?"

"Ja, gerne," antwortet er. "Ich komme sofort."

Er schließt seine Arbeit schnell ab und schaltet sein Tablet aus. Anschließend wechselt er zum Esstisch und bedankt sich für das Eingießen seines Glases. Nun bedient er sich aus den Schüsseln. Danach füllt Mama ihren Teller und dann bin ich an der Reihe.

Nach dem Essen schiebt er mir einen Stapel Papiere über den Tisch.

"Das ist heute aus dem Drucker gekommen," sagt er.

Es handelt sich um die Antworten auf meine Bewerbungen, wie ich an den Briefköpfen und meinem Namen sehe. Darunter befindet sich ein QR-Code, den ich in mein Lesegerät schieben kann, das auf meinem Zimmer steht. Ich bin gespannt, was man mir antwortet. Daher nehme ich den Stapel, bedanke mich und gehe in mein Zimmer an den Schreibtisch.

Ich finde zumeist Ablehnungen. Die Bäckerinnung möchte mich kennenlernen und gibt mir einen Gesprächstermin. Eine Fechtschule reagiert genauso. Deren Termin liegt aber näher, also werde ich mich zuerst dort vorstellen.

*

Zum angegebenen Termin stehe ich vor dem Portal der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst-. Es ist breiter als die üblichen Türen. Die obere Hälfte ist verglast. Darin erkenne ich die Grafik von zwei Fechtern. In der Mitte über ihnen schwebt das Zeichen von Yin und Yang. Darüber schwebt im Halbrund der Name der Schule.

Ich habe mich im Internet über die Schule informiert. Bisher sind sie noch nicht bei Wettkämpfen aufgetreten, also muss sie noch recht neu sein. Als Anteilseigner wurden einige kleinere Firmen genannt. Der Schulleiter entstammt der japanischen Ethnie in den USA auf der Erde. Er ist vor etwa zehn Erdjahren mit zehn weiteren Fechtern zur Venus gekommen und sie haben sich in Ishtar City niedergelassen.

Anscheinend haben sie Geldgeber unter den ansässigen Firmen gesucht und mit der Zeit Familienmitglieder der Firmeninhaber als Schüler aufgenommen. Wie dem auch sei, entschlossen drücke ich gegen den Knopf neben der Tür. Sie fährt zur Seite und gibt den Durchgang frei. Ich trete hindurch und stehe in einem kleinen Empfangsraum.

"Willkommen in der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst-," sagt der junge Mann hinter dem seitlichen Tresen.

Ich wende mich zu ihm um und er nickt mir lächelnd zu.

'Hm,' denke ich. 'Wie sieht der denn aus?'

Ich bin es gewohnt, dass wir in Zivil leichte Schuhe, Hosen, Hemden und Westen in Ishtar City tragen. Erst im Umkleideraum ziehen wir die übliche weiße Turnierkleidung an und an der Fechtbahn folgt noch der Kopfschutz.

Der junge Mann mir gegenüber, der nun hinter dem Tresen hervorkommt, trägt dagegen Stiefel, fast bis zum Knie, eine weite weiße Hose, die er in die Stiefel gestopft hat und eine Jacke, wie man sie von Karatekämpfern kennt. Zusammengehalten wird sie von einem breiten Gürtel in der Farbe der Stiefel. Darunter trägt er sicher ein kragenloses T-Shirt. Ob das die Kleidung der Mitglieder der Schule ist? Als der Mann vor mir steht, sehe ich, dass er einen Turnierdegen in einer Schlaufe am Gürtel hängen hat.

Ich schaue erstaunt, denn ein Turnierdegen kann doch Schaden nehmen, wenn man ihn im Alltag am Gürtel baumeln lässt, wie man mir in der Fechtschule beigebracht hat, in der ich bisher neben der Schule gefochten habe. Leider hat mir auch meine langjährige Fechtschule eine Absage geschickt. Gern hätte ich weiter Mitglied sein dürfen, aber ein Platz in der Verwaltung hätten sie nicht frei. Mit anderen Worten: Ich hätte weiterhin meine Lehrgangsgebühren zahlen dürfen, aber mir einen Job anbieten, wollten sie nicht.

"Darf ich fragen, was Sie zu uns führt?" fragt der junge Mann nun und reißt mich damit aus meinen Betrachtungen.

"Ich habe einen Termin bei Mister Yamamoto," erkläre ich, zuversichtlich lächelnd. "Mein Name ist Florian Myers."

Mein Gegenüber verbeugt sich leicht. Genauso, wie ich es von japanischen Filmen her kenne. Er selbst sieht allerdings nicht wie ein Asiate aus.

"Dann folgen Sie mir bitte!" fordert er mich auf.

Er führt mich zu einem Aufzug, mit dem wir drei Ebenen höher fahren. Auch das wundert mich. Denn wir kennen in Ishtar City große Aufzüge für Jedermann in größeren Abständen, mit denen wir die Ebenen wechseln können. Innerhalb der Ebenen können wir mit Treppen eine Etage höher gehen, wenn es nötig werden sollte. Wir sind somit in einem vereinseigenen Aufzug fünf Etagen höher gefahren, als befänden wir uns in einer großen Firma.

Nachdem wir ausgestiegen sind, führt mich der Mann einen Gang entlang und drückt neben einer Tür auf den Knopf. Hinter einem Schreibtisch erhebt sich nun ein Mann mit asiatischem Aussehen. Der Mann ist genauso gekleidet, wie mein Führer. Dieser sagt nun:

"Mister Myers ist eingetroffen, Mister Yamamoto."

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