Montag, 22. August 2022
Aufbruch ins All -28
"Die NASA ist eine staatliche Organisation. Solche Organisationen leiden zumeist unter chronischem Geldmangel. Deshalb haben sie vor 700 Jahren in der Anfangszeit der interplanetaren Raumfahrt kommerzielle Unternehmen, wie SpaceX, mit ins Boot geholt. Diese Unternehmen sind darauf ausgerichtet Gewinn zu machen. Heutzutage wird immer weniger Raketentreibstoff gebraucht.
Nur noch kleine Unternehmen oder reiche Privatpersonen nehmen den Treibstoff ab. Zwar wird er in den Raumschiffen von der Space Ressource Corporation immer noch mitgeführt, um Notraketen zu zünden und damit Rettungskapseln zu starten, aber zunehmend wird auf eine andere Antriebstechnik gesetzt."

Ich mache große Augen. Erstaunt frage ich:
"Womit werden denn die modernsten Raumschiffe angetrieben?"

"Habt ihr im Physik-Unterricht etwas vom Warp-Antrieb gehört?" fragt er lächelnd zurück.

Ich rekapituliere:
"Ein Wissenschaftlerteam hat 2022 in einem Forschungslabor mehr oder weniger zufällig eine Mikro-Warp-Blase erzeugt. Wenn man diese Technik vergrößert, um damit ein Raumschiff anzutreiben, braucht man aber eine riesige Energiemenge..."

"Nun sind 700 Jahre vergangen und die technische Entwicklung ist nicht stehengeblieben! Fusionsreaktoren brauchen heute nicht mehr so viel Raum, haben nicht mehr so viel Gewicht wie vor 700 Jahren, und sind viel leistungsfähiger. Trotzdem kann man mit den heutigen Warp-Antrieben keine Hyperraum-Reisen unternehmen! Sie eignen sich aber für interplanetarische Reisen im Sonnensystem. Ein Flug zur Erde dauert nur noch 7 Tage. Von der Erde zum Mars gelangt man damit in ungefähr 10 Tagen, wenn man das Zeitfenster der Konjunktion zwischen Start und Ziel berücksichtigt.
Also einfach starten und losfliegen, wann man will, geht immer noch nicht. Es sei denn, man nimmt eine Reisezeit von Monaten in Kauf. Will man mit dem neuen Antrieb Ceres oder Vesta erreichen, muss man ebenfalls das günstigste Zeitfenster abwarten und dann mit ungefähr drei Monaten Flugzeit rechnen. So groß sind die Entfernungen im Sonnensystem! Aber gegenüber dem alten Raketenantrieb ist es ein riesiger Fortschritt."

Es entsteht eine Gedankenpause, während der ich über das Gehörte nachdenke. Dann frage ich:

"Also nur in den größeren Raumschiffen, den Personen- und Frachttransportern lohnt sich der Warp-Antrieb?"

"Ja, und die gehören zwei bis drei großen Firmen. Eine davon ist die Space Ressource Corporation. Eine andere ist eine Firma zu deren Anteilseignern einmal die NASA, ESA und andere westliche Raumfahrtorganisationen gehört haben. Die dritte und kleinste der Drei hatte früher Anteilseigner aus der östlichen Hemisphäre der Erde."

"Oh," mache ich. "Die Firmengröße wird hier aber nach Anzahl der Raumfahrzeuge und Nutzlast bemessen?"

Mein Okuden -Meister- Clark McGiven bestätigt, breit lächelnd:

"Ja, genauso ist es. Der Chisei -Person mit Geisteskraft (Zugang zu Reiki - alles durchdringende Lebenskraft-)- Yamamoto-San ist mit einem Verantwortlichen dieser dritten Firma verwandt. Ihr Firmenziel ist die Erkundung des Sonnensystems. Statt mit Teleskopen, wie früher von der Erde aus, fliegen Raumschiffe der Solar Exploration Group durch das Sonnensystem und erkunden mit namhaften Wissenschaftlern vor Ort, was man wissen muss. Diese Informationen werden zentral gesammelt und dienen den Firmen, die auch als Sponsoren der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- auftreten als wissenschaftliche Grundlage ihrer kommerziellen Geschäfte."

"Ah, eine Hand wäscht die andere, sozusagen: Die SEG verkauft wissenschaftliche Erkenntnisse an Firmen, die dann mit dem erzielten Gewinn die Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- sponsern."

"Du hast es erfasst, Florian. Da gibt es aber noch etwas zu bedenken."

"Was?" frage ich und schaue meinen Meister an.

"Du weißt ja inzwischen, dass Chisei Yamamoto-San Buddhist ist und wir alle seinen Lebensregeln folgen, weil sie den Menschen guttun. Vor über 2500 Jahren hat sich eine Anzahl spiritueller Lehrer des Buddhismus von Buddhas Pfad abgewandt und Habgier und Egoismus gepredigt. Sie haben zwei benachbarte Königreiche auf dem indischen Subkontinent gegeneinandergehetzt, um davon zu profitieren. Sie wurden von anderen spirituellen Lehrern besiegt, die dem rechten Pfad Buddhas gefolgt sind.
Dann hat sich vor über 1000 Jahren auf der westlichen Hemisphäre der Erde der Kapitalismus entwickelt. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Vor etwa 200 Jahren entwickelte ein buddhistischer Mönch wieder die Lehre vom Egoismus und Habgier. Er gewann Schüler. Sein Kreis erweiterte sich in die westliche Hemisphäre hinein, wo er auf fruchtbaren Boden fiel. Die Führungsebene der heutigen Space Ressource Corporation ist dieser Irrlehre komplett verfallen.
Übrigens: Auch die SRC sponsort eine Fechtschule in Ishtar City!"

"Hm," mache ich und schaue Meister Clark skeptisch an. "Das ist doch nicht etwa die Fechtschule, deren Champion ich beim Turnier besiegt habe?"

Mein Master nickt mit ernstem Gesicht und sagt:
"Diese schlimme Philosophie, die keine Rücksicht auf Menschen und die Natur nimmt, ist inzwischen auch hier angekommen!"

"Was ist denn daran so verführerisch?" frage ich.

"Dort heißt es erstens: Kümmere dich um Deine Stärke, denn Stärke ist Macht. Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Sie brauchen Dich nicht!
Zweitens: Lebe mit Leidenschaft, denn so erringst du Siege. Lass' dich dabei vom Zorn leiten, denn Zorn erzeugt Aggressivität.
Drittens: Stelle deinen Feinden Fragen nach ihrer Stärke, ihrer größten Angst und was sie sehr schätzen. Damit erhältst du die Informationen, wie du deine Feinde schlagen kannst.
Und Viertens: Zum Schluss frage sie, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."

Meine Augen werden immer größer. Ich vergleiche sie mit Chisei Yamamoto-Sans Merksätzen, die da heißen:
Erstens: Strebe nach dem Frieden, ohne auf deine Gefühle zu achten.
Zweitens: Strebe nach Wissen. Überwinde die Unwissenheit.
Drittens: Strebe nach Gelassenheit. Überwinde die Leidenschaft.
Viertens: Strebe nach Harmonie. Überwinde das Chaos.
Fünftens: Strebe nach der Lebenskraft, so überwindest du den Tod.

Nachdem ich beide Richtungen verglichen habe, sage ich mit Überzeugung in der Stimme:

"Unsere Lebensphilosophie ist eindeutig die bessere! Wir raffen keinen Reichtum und gehen dafür nicht über Leichen."

"Genauso sehen wir Okuden -Meister- und die Chisei das auch, Florian. Daher bekämpfen wir deren Philosophie, wo wir können. Allerdings, getreu unserem Prinzip der Gelassenheit, lassen wir die anderen gewähren. Jede Überzeugung hat ihr Lebensrecht. Nur wenn wir denken, da ist jemand, der unsere Hilfe braucht, weil der Gegner an deren Besitz will, werden wir aktiv.
Das Gegeneinander antreten im Turnier ist nur ein gegenseitiges Abchecken. Ich denke, die Gegenseite weiß nun was sie von dir zu halten hat, denn auch dort gibt es Leute, die Verbindung zu Reiki -alles durchdringende Lebenskraft- bekommen und verstehen sie einzusetzen. Du weißt ja, Reiki selbst ist weder gut noch böse. Es kommt immer darauf an, was man mit ihr macht."

Wieder verharre ich eine Zeitlang in Gedanken. Dann frage ich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaube:

"Deshalb nehme ich nicht mehr an Turnieren teil? Ich trainiere nur noch, um in Form zu bleiben und um der großen Konfrontation gewachsen zu sein, die zu einem noch unbekannten Zeitpunkt auf mich zukommt?"

Meister Clark nickt. Mit ernster Stimme antwortet er:
"Du hast es erfasst, Florian."

*

Mein Vater feiert einen runden Geburtstag. Neben der Verwandtschaft bin natürlich auch ich eingeladen. Es werden dann wohl insgesamt 25 Gäste kommen. Darum hat mein Vater dafür den kleinen Saal über dem 'Starlight Club' angemietet und mit dem Chef ein 3-Gänge-Menü besprochen, sowie Kaffee und Kuchen vorab. Seinen Gästen hat er eine wunderschön gestaltete Email geschickt, in der von Beginn gegen 16 Uhr und Ende voraussichtlich gegen 23 Uhr die Rede ist.

Am Tag der Feier darf ich die Schule verlassen, soll aber meine Kleidung anziehen, die ich in der Schule trage - und einen echten Degen in einer Scheide an meinen Gürtel hängen. Ein Band über dem Griff verhindert das unabsichtliche Herausziehen der scharfen Waffe. Er hat eine scharfe metallene Klinge von 90 Zentimeter Länge und gleicht damit dem Sportdegen, nur dass dieser keine scharfen Kanten hat.

"Geh nur," beruhigt mich Meister Clark. "Ich werde in meinem Zimmer meditieren und über dich wachen."

Ich denke mir, mein Turnierdegen mit Glasfiberklinge, die einen Treffer anzeigen kann, hätte als Demonstration für unbedarfte Zivilisten sicher ausgereicht. Bestimmt werde ich von den anderen Gästen auf das Turnier angesprochen und auch gefragt, warum ich danach nicht mehr angetreten bin. Naja, ich werde halt sagen, dass ich nach dem Gewinn kein weiteres Turnier mehr gebraucht habe, um mich zu beweisen. Anders wäre es wohl gewesen, wenn ich mich von Turnier zu Turnier in die Spitze hocharbeiten hätte müssen. Da hätte mir mein Ehrgeiz sicher gesagt, dass ich es wieder und wieder versuchen muss.

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