Donnerstag, 25. August 2022
Aufbruch ins All -29
Ich gehe also in voller Montur durch die Gänge von Ishtar City. Wo der 'Starlight Club' liegt, ist mir bekannt. Unbehelligt komme ich dort an. Ein Angestellter führt mich die Treppe hinauf zum Saal, den Papa angemietet hat. Die Tür schwingt auf. Alle Anwesenden wenden ihre Köpfe in meine Richtung und auch meine Aufmerksamkeit ist auf die Gäste im Saal gerichtet. Meine Augen suchen den Sitzplatz meiner Eltern. Dorthin will ich zuerst, um sie zu begrüßen und Papa zu beglückwünschen.

In diesem Augenblick bemerke ich Bewegung in den Augenwinkeln. Ich mache einen schnellen Schritt in den Saal und drehe mich dann um. Der Angestellte, der mich geführt hat und eine andere Person, die aus einer Nische herausgetreten ist, haben mich anspringen wollen und haben plötzlich Degen in der Hand. Nun sind die Beiden gegeneinander geraten, was mir einen Vorteil von einem Sekundenbruchteil verschafft. Schnell habe ich meinen Degen 'entriegelt' und gezogen.

Sofort springe ich aus dem Stand über einen halben Meter hoch und stoße mit dem Fuß nach dem Fremden. Ich schätze ihn als den Gefährlicheren der beiden Angreifer ein, denn ich erkenne schnell, dass es der im Endkampf des Turniers unterlegene Teilnehmer aus der gegnerischen Fechtschule ist.

Dort haben wir nach den Turnierregeln gefochten. Hier nutzen auch die Gegner ostasiatische Kampftechnik, zusammen mit der Waffe.

Mein Gegner weicht mir aus und gleichzeitig greift der Angestellte wieder an. Nun unterlaufe ich die Hiebe in den Gang hinaus, um sofort wieder herumzuwirbeln und meinen ersten Treffer zu setzen. Es fließt Blut, was den Getroffenen zu unbeherrschtem Vorstürmen veranlasst. Ich bringe seinen Komplizen zwischen mich und sich und drehe mich wieder den Kämpfenden zu.

Dieser Komplize, mein früherer Turniergegner, ist mir mit den Augen gefolgt und hebt die Waffe zum Hieb, als der Verletzte im blinden Hass auf mich einstürmt und dabei meinen alten Turniergegner empfindlich trifft.

Der Mann sinkt zu Boden und der andere muss seine Waffe fahren lassen. Nun zieht der Angestellte des 'Starlight Clubs' ein Messer und versucht den Bodycheck. Ich mache einen Schritt rückwärts, um meinem Degen Raum zu geben und steche dem Mann in die Waffenhand. Er lässt das Messer fallen und verzerrt vor Schmerz sein Gesicht.

Der Besitzer des 'Starlight Clubs' ist sicher nach dem Schrei des zu Boden gegangenen Kämpfers zur Treppe gekommen, denn als jetzt sein Mitarbeiter am Boden kniet und die Blutung der Hand zu stillen versucht, steht er plötzlich bei uns.

Ich schiebe den Degen zurück in die Scheide und wende mich dem Mann zu.

"Was geht hier vor?" fragt der Wirt.

"Ein Attentat!" antworte ich kurz angebunden.

"Aber das ist mein Mitarbeiter!" stellt er fest und beugt sich zu dem Mann, seine Schürze als Verband gebrauchend.

"Tja," meine ich. "Dann frage ich mich, nach welchen Kriterien sie ihr Personal aussuchen - und natürlich, für was sie im Service einen Degen brauchen? - Rufen Sie die Stadtwache und die Sanitäter!"

Der Mann nimmt seinen Kommunikator zur Hand und macht die beiden Anrufe. Die männlichen Gäste kommen nun langsam näher, während die Frauen und Kinder hinter dem Tisch bleiben. Das Möbel zwischen uns ist ihnen bestimmt sicherer.

Wenige Minuten später sind die angeforderten Uniformierten und das Sanitätspersonal vor Ort und beginnen ihre Arbeit. Ich wende mich zu den Gästen um und spreche beruhigend auf meinen Vater ein, als dieser plötzlich erschreckte Augen macht. Gleichzeitig höre ich ein Rascheln hinter mir und einer der Sanitäter ruft empört "Hey! Halt!"

Sofort habe ich meinen Degen wieder in der Hand und wirbele herum. Mein Turniergegner steht hinter mir mit gebeugtem rechtem Knie und gerade nach hinten gestrecktem linkem Bein und will im Moment zustoßen. Ich mache nach der schnellen Drehung sofort einen Ausfallschritt und stoße ihm meine Waffe in die Brust. Nun sackt er in sich zusammen.

"Ich hoffe, sie kriegen ihn irgendwann wieder auf die Beine," sage ich zu den Sanitätern und zu den Wachen gewandt, ergänze ich: "Sie sehen selbst, dass es sich hier um ein Attentat auf mich gehandelt hat, mit Heimtücke und krimineller Energie vorgetragen!"

Nachdem die Sanitäter die beiden Männer die Treppe hinuntergeschafft haben, beginnt die Befragung durch die Wachen. Ich berichte ihnen meine Sichtweise und die Gäste erklären, was sie gesehen haben. Anschließend muss ich meine Waffe abgeben und auch die Waffen der Gegner werden vom Boden aufgehoben. Nach einer ersten schnellen Prüfung fragt der Wachkommandant:

"Wieso haben Sie überhaupt eine scharfe Waffe dabei?"

"Ich wollte sie meinem Vater zeigen. Übrigens, sehen Sie hier die Schnalle? Die Waffe war damit gewissermaßen verriegelt. Ich hätte sie niemals in der Absicht herausgezogen, sie zu benutzen. Ich habe nur in Notwehr gehandelt, nachdem die Anderen mich mit ihren Waffen in der Hand bedroht haben."

Wieder fragt der Mann die Umstehenden, ob es in ihren Augen wirklich Notwehr gewesen sein kann. Das wird ihm mehrfach bestätigt. Danach ziehen auch die Wachen ab. Meinen Degen bin ich nun aber fürs Erste los.

Anschließend setzt sich die Geburtstagsgesellschaft wieder und der Wirt lässt die Vorsuppe servieren. Im weiteren Verlauf wird es ein schweigsamer Abend. Die Gäste verlassen auch bald den Club.

In den nächsten Tagen habe ich einen Termin bei einem Rechtsanwalt. Ich muss ihm in seinem Büro die ganze Geschichte noch einmal erzählen. Er wird ebenfalls auf Notwehr plädieren und meinen Degen von der Justiz zurückfordern. Das Verfahren zieht sich allerdings über mehr als ein Vierteljahr hin.

*

Während ich auf mein Verfahren warte, bin ich wieder einmal bei meinen Eltern zu Besuch. Mein Neffe ist ebenfalls anwesend. Er ist etwas jünger als ich und soll sich nun um eine Ausbildung kümmern. Zuhause bei seinen Eltern müssen die Emotionen hochgekocht sein, als er davon gesprochen hat, in die gleiche Fechtschule einzutreten, in der ich bin.

An der gedrückten Stimmung zuhause, erkenne ich, dass mein Vater seinem Neffen ebenfalls ins Gewissen geredet hat. Nun flüstert mir Mama beim Betreten der Wohnung zu:

"Bitte, bringe Mirco von seinem Vorhaben ab. Er soll einen normalen Beruf erlernen!"

Ich neige den Kopf und meine:
"Du hast das doch bei mir schon miterlebt: In seinem Alter wollen die Jugendlichen mit dem Kopf durch die Wand. Niemand kann sie von ihrem Entschluss abbringen."

"Versuche es wenigstens!"

Ich nicke ihr beruhigend zu, dann habe ich schon das Wohnzimmer betreten und Papa begrüßt mich mit sorgenvoller Miene. Mirco sieht mich hereinkommen und schaut mir neugierig und erwartungsvoll entgegen.

"Hallo Papa! Hey Mirco! Wie geht es euch?" frage ich zur Begrüßung.

Mama weist mir meinen Platz zu und ich setze mich an den Kaffeetisch. Nun schenkt sie Kaffee aus und serviert jedem ein Stück ihres Kuchens. Danach setzt sie sich hinzu. Ich lächele sie an und lobe sie:

"Der Kuchen schmeckt nach Zuhause, Mama. Vorzüglich wie immer!"

Sie lächelt dankbar zurück und auch Papa entspannt sich etwas. Ein paar Minuten später, ich habe auf Mircos Ansprache gewartet, spreche ich ihn an:

"Und was machst du so, Mirco?"

"Hmm," druckst er herum. "Ich bin ja bald mit der Schule fertig..."

Mich zu ihm umwendend, frage ich:
"Hast du irgendein Hobby, oder magst etwas besonders gerne tun? Ich meine grob die Richtung Technik, Elektronik, Künstliche Intelligenz. Oder interessieren dich eher die wissenschaftlichen Entdeckungen, die das Weltall uns noch bereithält? Magst du nach einem Studium einer Expedition angehören, zum Beispiel zu den Monden Europa oder Ganymed? Was treibt dich so um, Mirco?"

"Hm," macht er noch einmal und fragt mich direkt: "Was machst du denn nach deiner Schulzeit?"

Ich grinse ihn an und erkläre:
"Ich wollte in der Situation, in der du dich jetzt befindest, Sportler werden. Du weißt ja, je besser man wird, desto eher werden Sponsoren auf einen aufmerksam. Dafür tritt man in Werbespots auf und lügt den Leuten das Blaue vom Himmel, damit sie die Produkte des Sponsors kaufen. Gleichzeitig wird man zum gefeierten Idol für die Leute, für Siege im Sport."

"Du hast es geschafft, der Champion von Ishtar City im Fechten zu werden!" hält er mir vor.

"Und was habe ich jetzt davon?" entgegne ich ihm. "Ein paar Leute in den Gängen grüßen freundlich. Kaum einer möchte ein Autogramm. Stattdessen hat der unterlegene Konkurrent seine Niederlage nicht vergessen und trachtet mir nach dem Leben. Ist es da nicht besser, gesünder, gleich eine normale Ausbildung anzustreben?"

"Zu was würdest du mir denn raten, Florian?"

... link (0 Kommentare)   ... comment