Freitag, 19. August 2022
Aufbruch ins All -27
Sie macht glücklich lächelnd den Eingang frei. Ich betrete lächelnd die Wohnung und bekomme nur ein "Hallo, Mama." heraus. Mama schließt mich in ihre Arme. Papa kommt aus einer seitlichen Zimmertür. Auch er sieht froh aus. Er legt mir seine Hände auf die Schultern und meint:

"Lass dich einmal anschauen, mein Junge. Gut siehst du aus! Komm in den Livingroom."

Er dreht sich um und zieht mich mit der Hand an meinem Unterarm in das Zimmer, während Mama die Wohnungstür schließt. Dort setzen wir uns um den Coffee-Table und Papa fordert mich auf:

"So! Nun erzähle mal!"

Mama kommt hinzu und schenkt uns Tee aus. Ich zucke mit den Schultern und meine:

"Mister Yamamoto, der Schulleiter entstammt der japanischen Ethnie in den USA. Er kommt also von der Erde und hat hier vor etwas über zehn Jahren seine Fenshingu no gakkoh gegründet. Übersetzt heißt das 'Schule der Fechtkunst'. Anders als in meinem früheren Fechtverein, lehrt er nebenbei auch eine waffenlose japanische Selbstverteidigungstechnik und zeigt uns eine Meditationstechnik, mit der wir uns wunderbar auf Wettkämpfe vorbereiten können.
Wir beginnen die Schule als 'Shoden'. Das heißt Anfänger. Und in meinem Kurs sind etwa ein Dutzend Anfänger gewesen. Sicher war das bei anderen Lehrern ähnlich. Nach einem halben Jahr sind wir zu einer Feier zusammengekommen. Dabei wurden einige Mitglieder der Schule höhergestuft. Auch mich hat man vom Shoden zum 'Chuhden' befördert. Das heißt Fortgeschrittener. Sicher ist das daher gekommen, weil ich schon seit zehn Jahren fechte.
Aber auch Mitglieder mit höheren Rängen sind an dem Tag aufgestuft worden. Zum Beispiel wurden drei der bisher 'Fortgeschrittenen' zu 'Okuden', also zum Meister befördert. Die Meister in der Schule dürfen sich einen von den Fortgeschrittenen wählen, dem sie Einzelunterricht geben wollen. So ist es mir passiert. Einer der neu beförderten Meister hat mich nach der Feier besucht und gefragt, ob ich sein Schüler werden möchte. Ich habe neugierig 'Ja' gesagt.
Nun bekam ich Einzelunterricht. Das ist anstrengender gewesen, als vorher in der Gruppe, war aber gut!"

"Stimmt! Es hat dich befähigt, diese Woche das Turnier zu gewinnen!" pflichtet mir mein Vater bei.

Ich schaue ihn lächelnd an und wende meinen Blick Mama zu, die mir stolz über den Rand ihrer Teetasse zulächelt.

"Ja, das war eine wunderbare Erfahrung! Mein Gegner aus der Fechtschule eines Mannes aus der irdischen Region Brasilien ist kein leichter Gegner gewesen!"

"Wir haben das Turnier verfolgt und als wir dich teilnehmen gesehen haben, haben wir dir natürlich alle Daumen gedrückt!"

"Danke!" antworte ich höflich lächelnd.

"Der Endkampf hatte es aber in sich," meint Papa. "Wir haben richtig mitgefiebert und am Schluss gejubelt! Hast du schon einen Werbevertrag mit einer finanzstarken Firma?"

"Wie ich hörte, hat mein Gegner einen Vertrag mit 'Space Ressource Corporation' gemacht. Über die Konditionen weiß ich nichts. Die Philosophie des Gründers unserer Schule ist, dass wir uns nicht hervortun sollen. Wir bekommen Kost und Logis von der Schule. Die Schule selbst wird von mehreren kleinen Firmen gesponsert. Spenden von Privatleuten sind auch gerne gesehen. Aber niemand von uns nimmt einen Sponsor-Vertrag an. Mister Yamamoto sagt, wir sollen uns von niemandem abhängig machen."

"Aber ist dann die Schule als Ganzes nicht abhängig von den Sponsoren?" fragt Papa mit einer steilen Falte auf der Stirn.

"Ich kenne die Sponsoren nicht, aber sie sollen breit gestreut sein, so dass wir immer einer anderen Firma auf die Füße treten würden, wenn wir für die Produkte irgendeiner Firma gezielt Werbung machen. Hier gilt das Gleichbehandlungs-Prinzip. Also dann lieber keine Werbung."

"Aber was haben die Firmen dann von ihrem Sponsoring? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie keine Gegenleistung erwarten!"

"Ich kann es dir nicht sagen. Das ist eine Frage, die man einem der Gründungsmitglieder der Schule stellen müsste. - Aber wenn dir danach ist, kannst du gerne spenden," meine ich augenzwinkernd.

Mama ist während der Diskussion aufgestanden und kümmert sich in der Küche um unser Mittagessen. Kochen brauchen wir heutzutage ja nicht mehr. Das erledigt eine Multi-Küchenmaschine. Dennoch muss man von Zeit zu Zeit nachschauen und eine Einstellung vornehmen.

"Wie stellst du dir deine Zukunft vor?" fragt Papa jetzt.

Ich zucke leicht mit den Schultern.
"Den Status quo möchte ich gerne beibehalten. Also ich erhalte von der Schule, was ich zum Leben brauche, wie alle anderen auch. Ich nehme an Turnieren teil und entwickele mich so weiter. Vielleicht werde ich einmal selbst Meister und bilde einen Schüler aus."

"Bei deinem Können wird es sicher irgendwann dazu kommen!" ist Papa sich sicher. "Und - weißt du: Niemand muss sein ganzes Leben lang ein selbstloser Held sein. Es reicht aus, in seiner Organisation, Verein oder Firma aufzusteigen, und danach ein ganz normales Leben führen. Seinem Hobby nachgehen oder sich ein ruhiges Hobby zulegen!"

Mama ist hinzugekommen und serviert uns den ersten Gang. Sie setzt sich zu uns und meint:

"Du weißt, wir werden dich immer unterstützen!"

Ich hebe den Blick und lächele sie an.
"Danke!"

*

Zurück in der Schule reduziert Meister Clark mein Training auf zweimal pro Woche, damit ich in der Übung bleibe. Dazwischen erhalte ich so etwas wie Geschichtsunterricht. Es geht um den Aufbruch des Menschen ins Weltall.

Die US-amerikanische 'National Aeronautics and Space Association' arbeitet mit einer Reihe von Universitäten und Forschungslaboren zusammen. Deren Erkenntnisse verkauft sie an kommerzielle Firmen, die damit Antriebe entwickeln und Raumfahrzeuge bauen.

So ist die Mars Ressource Corporation entstanden, die maßgeblich an der Kolonisation des Mars beteiligt gewesen ist. Gut zweihundert Jahre später hat sich der Mars emanzipiert und ihre Ressourcen als ihr Eigentum bezeichnet. Die Mars Ressource Corporation muss seitdem für den Abbau bezahlen.

Das hat zur Folge gehabt, dass sich die Firma anderweitig umgesehen und die Asteroiden Ceres und Vesta zugesprochen bekommen hat. Seitdem nennt sich die Bergbaufirma Space Ressource Corporation. Sie hat sich vom Mars zurückgezogen, der seitdem seine Raumfahrt vernachlässigt hat.

Die Venuskolonisation ist langsamer verlaufen. 'Schuld' daran ist, dass sich die NASA selbst darum bemüht hat. Zuerst hat sie eine dauerhaft bewohnte wissenschaftliche Station im Orbit geschaffen. Danach wurde Ishtar City gegründet. Es ist eine in 55 Kilometer Höhe über dem Boden der Venus schwebende Wolkenstadt. Sie befindet sich auf dem 60. Breitengrad über einer Kontinentalplatte, die von den Wissenschaftlern Ishtar Terra genannt wird. Dieses 'Ishtarland' hat ungefähr die Größe von Australien. Daher kommt der Name der Wolkenstadt.

Außer der bewohnten Ishtar City schweben in der Venusatmosphäre noch einige unbewohnte Produktionsplattformen, in denen aus den Atmosphärengasen Raketentreibstoffe hergestellt werden. Sie funktionieren vollautomatisch KI-gesteuert und werden von Zeit zu Zeit von unseren Luftschiffen zur Überprüfung und Reparatur angesteuert.

Sind die Tanks mit Raketentreibstoff voll, werden sie in die Umlaufbahn geschossen und von der Orbitalstation aus eingesammelt. Von dort werden sie zum Erdmond gebracht. Im dortigen Raumflughafen kann jeder sein Raumfahrzeug auftanken.

"Also kann uns das Schicksal der Marsianer nicht passieren?" frage ich meinen Meister.

"Dass wir unter die Vorherrschaft der Space Ressource Corporation geraten, meinst du?" fragt er zurück.

Ich nicke und schaue ihn erwartungsvoll an. Master Clark runzelt die Stirn und meint geheimnisvoll:

"Wollen wir es hoffen."

"Wie meinst du das?" frage ich nun.

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