Sonntag, 3. Juli 2022
Aufbruch ins All -05
Dann habe ich alles beisammen und lade das Ehepaar Berlin zum Dank in meine Wohnung ein. Zu essen gibt es, was das teure Restaurant im Erdgeschoss liefern kann. Ich versuche nun die gleiche Teezeremonie in Verbindung mit meinem neuen Heimstein durchzuführen, die ich bei den Eheleuten Berlin kennengelernt habe. Dabei lädt mich Mister Berlin ins Stadion der Stadt ein. Dort ist in zwei Wochen wieder ein Wettbewerb der besten Läufer des Planeten. Bei dieser Gelegenheit könnte ich auch seine Söhne mit ihren Frauen und seine Enkel kennenlernen. Ich sage gern zu.

Hierbei lerne ich, warum es auf dem Mars den Vierschichtbetrieb seit Generationen gibt. Der größte Arbeitgeber auf dem Mars ist seit der Kolonisierung die Mars Ressource Corporation gewesen. Daneben haben viele Milliardäre der Erde den Rücken gekehrt, um auf dem Mars ein ruhiges Leben zu führen. Die Leute gehörten zu 90 Prozent den Weißen an.

Um die Arbeiten durchzuführen, hat man Roboter gebaut, die im Haushalt und im Freizeitbereich eingesetzt worden sind. Zum Abbau der Mineralien in der Marsoberfläche hat man Abraum-Maschinen gebaut und Leute gesucht, die diese Maschinen von Zentralen aus kontrolliert haben.

Dann ist es zu der großen Pandemie gekommen. Die Marsmikroben haben etwa 50 Prozent der Leute sterben lassen. Kurz darauf sind die ersten Fälle von Krebs ausgerechnet unter den Weißen aufgetreten. Die farbigen Menschen haben kaum mit der Krankheit zu kämpfen. Auch dass man schon bald unter die Oberfläche gegangen ist, um der kosmischen und harten Sonnenstrahlung zu entgehen, hat nicht viel geändert.

Also hat die Mars Ressource Corporation vermehrt Menschen aus dem Äquatorgürtel rund um die Erde rekrutiert, um die Verluste durch den Tod der Marsianer auszugleichen. So hat der Mars seine farbige Bevölkerung bekommen, während die Venus vermehrt von Weißen besiedelt worden ist.

Der Dreischichtbetrieb, der anfangs auch auf dem Mars eingeführt worden ist, hat unter den Arbeitern immer wieder zu Unruhen geführt. Die Menschen haben sich als Ausgleich zu ihrer Arbeit sportlich betätigt, oder sind anderen Zerstreuungen nachgegangen und wollten dafür ausreichend Zeit haben. Das hat dann zu dem Vierschichtbetrieb geführt, der bis heute gilt.

*

Ich habe mich mit Mister Berlin abgestimmt und daher fahren wir zu Dritt zum Sportstadion. Mister Berlin und seine Frau haben Festtagskleidung angelegt. Am Eingang treffen wir auf zwei jüngere Ehepaare mit zwei kleinen Kindern. Mister Berlin stellt sie mir als seine Söhne mit Frauen und seine Enkel vor. Wir begrüßen uns höflich. Danach führen mich die Berlins auf die weite Tribüne, deren Größe mich überwältigt. Sie öffnen eine separate Loge, von denen es hier einige gibt. Darin sind wir ungestört.

Aus den Lautsprechern ertönt die im Moment angesagte Musik.

Plötzlich ertönt ein dreifaches Klingeln. Dann spricht der Moderator der Veranstaltung:

"Ehrenwerte Damen und Herren! Herzlich Willkommen beim Sommerlauf in Olympia!"

Das Stadion erbebt vom Beifall.

"In wenigen Augenblicken ist es so weit! Wie in jedem Jahr begrüßen wir auch dieses Mal wieder die vierundzwanzig besten Läuferinnen und Läufer aus den Vorwettbewerben!"

Wieder macht der Moderator eine kurze Pause für den unmittelbar einsetzenden Applaus.

"Nur eine der Läuferinnen und einer der Läufer wird heute als Sieger in die Geschichtsbücher des Sports eingehen!" tönen die Lautsprecher. "In wenigen Minuten werden wir erleben, wer sich dieses Mal durchsetzt! Wir wünschen allen Zuschauern viel Spaß!"

Noch einmal ertönt der Beifall.

"Zuerst treten die zwölf besten Läuferinnen aus den Vorwettbewerben an!" erklärt der Moderator.

Über der Startlinie, hinter der die Sportlerinnen Aufstellung genommen haben, leuchtet es rot. Die Sportlerinnen knien sich in die Startposition als ein helles Pfeifen ertönt. Dann wechselt das rote Startsignal in ein grelles Grün und ein Knall ertönt.

Im selben Augenblick setzen sich die Sportlerinnen in Bewegung. Sie laufen die Gerade entlang, um danach das erste Mal in die Stadionkurve einzubiegen. So geht das danach noch 25 Runden lang bis die 10.000 Meter gelaufen sind.

Nach den Sportlerinnen sind die Sportler an der Reihe. Sie liefern sich ein ähnlich spannendes Rennen wie die Frauen vor ihnen. Aber nachdem das Rennen der Frauen vorbei ist, hält es Jonathan Berlin, einer der Söhne, nicht mehr auf seinem Platz. Er drückt seine Frau von Gefühlen überwältigt an sich und verlässt die Loge. Mister Berlin lächelt mir zu.

Während der Moderator nun den Lauf der Männer ankündigt, erklärt mir Mister Berlin, warum sein Sohn die Loge verlassen hat.

"Jonathan ist ins Mannschaftsquartier gegangen, um seiner Läuferin zu gratulieren."

Der Lauf der Sportler im Stadion-Rund interessiert mich jetzt weniger. Stattdessen frage ich meinen Mentor:

"Er gratuliert SEINER Läuferin zu einem vorderen Platz?"

"Ja, warum nicht? Er ist ihr Sponsor oder Gönner, wie man das auch immer nennen will."

"Ah, er unterstützt sie mit Geld, damit sie ihre sportliche Karriere vorantreiben kann," übersetze ich seine Information für mich.

"Genauso ist es!" sagt Mister Berlin. "Das Training kostet viel Geld. Die Trainer wollen ja auch leben. Das Trainingsgerät kostet... Und dann will die Sportlerin ja auch leben."

"Ah, das hier ist also kein Freizeitsport, sondern die Sportler machen das in Vollzeit... Wenn aber nicht nur Firmen Sponsoring betreiben, sondern auch Einzelpersonen, wie steht es da mit den zwischenmenschlichen Beziehungen?"

"Klar, entsteht mit der Zeit so etwas wie eine Beziehung zwischen Sponsor und Sportler," erklärt Mister Berlin, "aber solche Beziehungen sind rein platonisch. Freudige Umarmungen sind Gang und Gäbe. Mehr nicht. Käme es zu einer sexuellen Beziehung, würde das dem Sport schaden, und auch die Beziehungen der Beiden würden durcheinander gewürfelt. Für die Sportler, männlich oder weiblich, gäbe es dann kein zurück mehr in den Sport, sondern die Beiden müssten die Ehe miteinander eingehen!"

"Oh!" entfährt es mir da.

Schließlich ist auch der Lauf der Männer beendet. Es entsteht eine kurze Pause. Der Sohn von Mister Berlin ist wieder in die Loge zurückgekehrt und hat den Platz neben seiner Frau wieder eingenommen. Das Siegertreppchen wird aufgebaut und der Platz davor füllt sich mit den Sportlern und ihren Trainern.

Wieder ertönt der Lautsprecher. Sofort wird es ruhig im Stadion-Rund.

"Meine Damen und Herren, herzlich willkommen zur Siegerehrung!" sagt der Moderator.

Er macht eine kurze Pause und lässt das Publikum applaudieren.

"Alle Läuferinnen und Läufer haben tolle Leistungen gezeigt und ihr Können unter Beweis gestellt!" lobt er und macht wieder eine Pause.

Die Zuschauer applaudieren erneut.

"Kommen wir nun also zur Siegerehrung!" verkündet er. "Der dritte Platz geht an Melina aus Arsia!"

Die Menge im Stadion jubelt. Jemand aus der Menge und eine der Sportlerinnen gehen auf das Treppchen zu, wo die Preisrichter stehen und gratulieren. Danach stellt sie sich auf die unterste Stufe des Sieger-Treppchens, während der Trainer sich dahinter stellt.

"Kommen wir nun zum zweiten Platz," spricht der Wettkampfleiter in sein Mikrofon. "Er geht an Bonnie aus Olympia!"

Wieder treten eine Sportlerin und ihr Trainer vor. Sie werden beglückwünscht und Bonnie betritt die nächsthöhere Stufe des Treppchens. Wieder rastet die Menge im Stadion aus. Auch Jonathan Berlin erhebt sich und tritt vor, um mit erhobenen Armen zu jubeln. Die Sportlerin sucht mit ihren Augen die Logen ab und lächelt, als sie Jonathan erblickt. Sie hält die Medaille hoch.

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