Samstag, 9. Juli 2022
Aufbruch ins All -10
Der SpaceX-Mitarbeiter lächelt und nickt.

"Genauso ist es!" bestätigt er. "Mit dieser Mars-City wollen wir Erfahrungen sammeln und später die ersten Siedler auf ihr Leben auf dem Mars vorbereiten."

Inzwischen sind wir mit einem Aufzug auf die dritte Ebene gehoben worden, die für Fußgänger reserviert ist. Aber wir überqueren nur die Straße unter uns, betreten einen Häuserblock an seiner Ecke und stehen in einem Treppenhaus. Wir fahren mit dem Aufzug, um den sich die Treppe windet, hinunter auf die Ebene 0 und stehen in einen großen dreieckigen Saal. Auf einer Seite gibt es mehrere Sitzgruppen und gegenüber sitzt eine junge Frau hinter einem Tresen. Eine etwa anderthalb Meter breite Glastür befindet sich in der Spitze des dreieckigen Grundrisses und eine doppelt so breite Tür in der dritten und breitesten Seite des Raumes.

Beide Türen bestehen aus einem Gitter, in das farbige Butzenscheiben eingearbeitet worden sind. Unser Führer sieht unsere Blicke und erklärt:

"Die Oberfläche des Mars ist hauptsächlich von Sand bedeckt. Erhitzen Sie das Material, erhalten Sie Glas. Sie können Scheiben daraus machen, oder Skulpturen oder auch Gebrauchsgegenstände, wie Teller, Becher, Schüsseln - aber auch Bestecke. Mit diesen Glastüren wollten wir das hervorheben."

Wir nähern uns der Doppel-Tür, die von alleine zur Seite fährt und den Blick auf eine Fahrspur mit Autos freigibt. Wir werden zu den Vordersten in der Reihe geführt und dort auf zwei Fahrzeuge aufgeteilt. Der SpaceX- und der NASA-Mitarbeiter halten eine Karte an die Fahrzeugtür, die nun aufschwingt und zur Seite fährt. Wir setzen uns auf die zwei Sitzbänke und der SpaceX-Mitarbeiter im Fahrzeug, in dem ich Platz genommen habe, steckt die Karte nun in einen Karten-Slot und tippt auf dem aufleuchtenden Bildschirm herum. Danach setzt sich das Fahrzeug in Bewegung.
Es fädelt sich selbständig in den spärlichen Verkehr ein und strebt einem unbekannten Ziel zu.

"Ein selbstfahrendes Elektro-Auto!" stelle ich fest und schaue den SpaceX-Mitarbeiter lächelnd an.

Dieser nickt zustimmend und lächelt zurück.

"So sieht unser Individualverkehr aus. Waren werden von Elektro-LKWs befördert und direkt an die Rampe des Bestellers angeliefert."

"Ah," mache ich und schaue auf die Karte des Navis.

Schließlich fährt das Fahrzeug in eine ebensolche Haltespur hinein wie die, aus der wir gestartet sind, und hält hinter den wartenden Fahrzeugen. Wir steigen aus und sehen den Rest unserer Gruppe hinter uns aus einem anderen Fahrzeug aussteigen.

Wir betreten ein ebensolches Foyer wie das, wo wir die Fahrt begonnen haben. Dieses Mal gehen unsere Führer mit uns an den Tresen der Concierge. Dort fragt man uns nach unseren Ausweisen. Nach der Registrierung erhält jeder von uns seinen Ausweis zurück und zusätzlich eine Karte, mit der wir zahlen können. Unter Anderem entsperren wir damit auch ein Elektro-Cab. Am Ziel wird uns dann der entsprechende Fahrpreis abgebucht.

Das reizt mich nun doch zu der Frage nach unserem Gehalt. Der SpaceX-Mitarbeiter erklärt:

"Auf dem Mars entspräche ihre Tätigkeit dem eines Ingenieurs. Sie erhalten also etwa 5000 Dollar im Monat."

"Okay," meine ich.

Einige aus meiner Gruppe nicken anerkennend.

Danach fahren wir in den fünften Stock und gehen dort einen Gang entlang. Unser Führer öffnet eine Tür und wir betreten einen Raum, der entfernt der Flight Control der NASA ähnelt. Für jeden aus unserer Gruppe gibt es ein Tisch mit einem Control-Panel für eine bestimmte Abraum-Maschine, einen Radlader oder einen LKW. Ein kleiner Bildschirm vermittelt dem Mann, was seine Entscheidungen gerade bewirken. Ein großer Bildschirm an der Wand zeigt das Zusammenspiel aller Maschinen und Fahrzeuge in dem fiktiven Tagebau.

"Sie müssen sich das ähnlich vorstellen, wie die Steuerung der Mars-Rover heutzutage von der Erde aus. Sie sitzen hier in der Zentrale und überwachen die Arbeit von fiktiven Tagebau-Maschinen, vom Abbau der Rohstoffe, über den Transport in Fabriken, bis zum Transport der veredelten Rohstoffe in die Umlaufbahn, wo unsere Raumschiffe sie einsammeln und zur Erde bringen. Alles ist weitgehend automatisiert," meint der SpaceX-Mitarbeiter.

"So," meint nun der NASA-Mitarbeiter. "Das ist für die nächste Zeit ihr Arbeitsplatz. Machen Sie sich ruhig mit den Kontrollen vertraut. In einer Stunde holen wir Sie ab und zeigen Ihnen ihre Wohnungen."

In der nächsten Stunde probieren wir aus, was wir vor uns haben. Im Großen und Ganzen machen wir ein großes Videospiel, da es die Maschinen und Transporter in Wahrheit ja nicht gibt. Dann werden wir wieder abgeholt und zu den Cabs geführt. Zehn Minuten später halten die Fahrzeuge in der Haltespur eines Wohnblocks.

Wieder werden wir zu der Concierge geführt, müssen unsere ID-Cards abgeben und erhalten sie mit einer weiteren Karte zurück. Wie man uns erklärt, sind die neuen Karten die Schlüssel zu unseren Wohnungen. Wir gehen in die zweite Etage und beziehen dort acht identische Wohnungen nebeneinander.

Als ich meine Wohnungstür geöffnet habe, stehe ich zuerst in einer Garderobe mit Haken für Mäntel oder Jacken, eine Ablage für Schuhe und Fächer für Accessoires. Daran schließt sich ein Flur an, von dem zwei Türen abgehen. Neugierig öffne ich sie nacheinander und finde eine Gästetoilette mit WC und Waschgelegenheit, und ein Bad mit freistehender Wanne, über der ein Duschkopf schwebt, ein Waschbecken mit Spiegelschrank und Unterschrank und ein weiteres WC.

Der Gang endet vor einer Glastür, wie ich sie schon aus den Foyers im Erdgeschoß kenne. Als ich sie öffne, stehe ich in einem Wohnzimmer mit einer Polstergruppe und einem Coffeetable. An der Seitenwand befindet sich eine Küchenzeile und davor eine Esstischgruppe. So gesehen ist das Appartement voll ausgestattet. Schränke an der Wand lassen sich mit Geschirr, Bestecken, Wohntextilien, Küchen- und Badtextilien, und Bekleidung befüllen. In einem Highboard entdecke ich zwei Matratzen hochkant stehen.

Ein riesiger Bildschirm hängt gegenüber dem Sofa an der Wand und Phonogeräte füllen ein Phonomöbel. Auf dem Coffeetable liegt eine Broschüre, die ich mir als nächstes zu Gemüte führe.

So lese ich, dass hier unten, gut 500 Meter unter der Erde, kein Worldwide Web empfangen werden kann. Das sei analog zu den Lavatunneln auf dem Mars. Stattdessen gibt es ein Intranet, das über Kabel in jeden Haushalt übertragen wird. Auch unsere Handys funktionieren hier nicht. Dafür muss ich mich wieder an Telefone gewöhnen, die über Kabel funktionieren.

Ich kann das Intranet mit einer Fernbedienung auf dem großen Bildschirm einsehen. Dort gibt es Filme, Musikvideos, Nachrichten und Werbung aller in Mars City ansässigen Firmen. In jedem Wohnblock gibt es außerdem Einzelhandelsgeschäfte und Restaurants im Innenhof. Sportclubs und Musikclubs gibt es in verschiedenen Blocks, genauso wie Ausstellungen, Museen und Theater.

Nahrungsmittel- und Möbelfabriken haben ebenfalls einen Intranet-Auftritt, in denen man virtuell hindurchwandern kann, um schließlich in deren Verkaufsflächen zu landen und stöbern zu können. Ich bin beeindruckt und darüber müde geworden. Wir haben ab morgen eine Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr. Also hole ich Betttücher und -decken aus dem Schrank, ziehe die Liegefläche der Couch lang und mache mich für die Nacht fertig.

*

Inzwischen lebe ich schon drei Monate in Mars City unter der Erde. Ich habe herausgefunden wie man in einer Kalksteinhöhle nach der Trockenlegung und Abdichtung diese Häuserblocks bauen konnte: Eine der Firmen Elon Musks hat sich auf den Bau von Röhrenbahnen spezialisiert. Ein runder metallischer 'Maulwurf' hat sich durch den Untergrund gegraben. Auf diese Weise hat die Mars City Anschluss an Hanoi und andere große Städte Vietnams bekommen.

Die Bahnen werden in den hermetisch abgeschlossenen Röhren durch Luftdruck auf etwa 500 Stundenkilometer beschleunigt und vor dem Ziel abgebremst. Wir haben einen Rohrbahnhof an der Seite der Hang Son Doong, der Ähnlichkeiten zeigt mit dem Tempel der Hatschepsut in Ägypten, der vor Jahrtausenden dort auch in den Felsen hineingebaut wurde. Dort laden unsere LKWs die Komponenten zur Herstellung eines Baustoffes, den seine Erfinder 'Astrocrete' genannt haben.

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