Mittwoch, 6. Juli 2022
Aufbruch ins All -08
"Wir haben ja nun schon verschiedene Konzeptstudien für Siedlungen auf dem Mars erhalten. Neben den in der offenen Landschaft stehenden Landefähren, die untereinander verbunden eine Siedlung ergeben, aber der kosmischen Strahlung ungeschützt ausgeliefert sind, hat eine andere Gruppe eine in einen Felshang hineingebaute Siedlung konzipiert. In der Ebene davor stehen Sonnenkollektoren und an einen Raumhafen wurde ebenfalls gedacht. Nun hat eine andere Wissenschaftlergruppe ein Baumaterial entwickelt, das sie Astrocrete nennen.
Wie ich schon sagte, die ältere Studie mit den Marslandern als Siedlung scheidet wegen der harten Strahlung auf der Oberfläche aus. Der andere Entwurf benötigt Baumaschinen auf dem Mars, mit denen man sich in das Gestein fräst und Bohrhämmer für die Feinarbeiten. Bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, Lavatunnel als natürliche Hohlräume für Siedlungen zu nutzen. Dabei kann Astrocrete gerne zum Einsatz kommen!"

Einer der anwesenden Ingenieure wirft ein:
"Die komplette Nutzlast unserer stärksten Rakete darf für den Marsflug 16,8 Tonnen nicht übersteigen. Die Crew muss sich irgendwie anders behelfen beim Aufbau zuerst einmal einer Marsstation, die für die Dauer von 687 Marstagen aufrechterhalten werden soll. Der Lander hat sein Gewicht, die Crew selber ebenso. Ein Rover sollte ebenfalls mitfliegen. Wir brauchen Erfahrungswerte, damit wir wissen, was die Crew zum Aufbau einer einfachen Station braucht. Bohrhämmer sollten sie schon deshalb mitnehmen, um einen Zugang zu einem Lavatunnel herzustellen!"

Ein anderer Mitarbeiter stellt fest:
"Wir müssen die Männer einerseits schulen, andererseits gewinnen wir wichtige Daten aus den Versuchen verschiedener Crews, hier auf der Erde eine Marsstation zu errichten. Ich plädiere für ein getrenntes Vorgehen: Eine Crew kann in der jordanischen Wüste einen Schacht zu einem unterirdischen Hohlraum treiben. Eine andere Crew geht unter Führung eines erfahrenen Höhlenkletterers in eine natürliche Höhle und baut dort ein Camp auf, als befänden sie sich in einem Lavatunnel auf dem Mars."

Ich nicke dem Mann zu und antworte:
"Vielen Dank für die konstruktive Idee. Wir werden sie genauso umsetzen!"

Aufgrund dieses Gespräches beantrage ich bei meinen Vorgesetzten, dass wir ein Transportflugzeug nach Jordanien senden. Dort soll ein Hubschrauber aus der amerikanischen Militärbasis Muwaffaq Salti Air Base die Kommandokapsel eines SpaceX-Raumschiffes in die jordanische Wüste setzen. Ein Rover, wie der aus Apollo-Zeiten, wird daneben platziert und zwei Bohrhämmer, sowie eine Ladestation mit Sonnenkollektoren vervollständigen die Ausrüstung.

Jetzt fliegen wir drei Astronauten in ihren Weltraumanzügen dorthin und beobachten, wie sie es schaffen, ein waagerechtes Loch in einen Felssturz aus Sandstein zu hämmern. Wichtig ist auch, wieviel Zeit sie benötigen und welche Daten ihre Bio-Monitore liefern.

Nachdem sie eine Höhle geschaffen haben, in der sie Schutz vor der Mittagshitze finden, bringt die NASA ihnen mit einem weiteren Hubschrauberflug einen kleinen 'Maulwurf' mit dem einer der Astronauten eine senkrechte Röhre in den Felsen bohren soll. Der Bruchstein wird von ihnen mit einem über der Röhre liegenden Kran herausgeschafft. Nach einer Weile sollen sie den Maulwurf um 90 Grad drehen und von der Position aus, eine waagerechte Röhre bohren. Auch jetzt müssen sie die Bruchsteine ans Tageslicht befördern.

Ein anderes Team aus drei Astronauten vertrauen wir der Führung eines Höhlenkletterers an und geben ihnen die Aufgabe, in einem Lavatunnel am Hang des Kilauea auf Hawaii eine feste Unterkunft zu schaffen. Dazu platzieren wir eine weitere Kommandokapsel gleich neben einer Doline, einem Einsturz des Tunneldaches. So haben die Crews adäquate Unterkünfte, während sie ihre Aufgaben lösen.

Der Guide holt sie am Morgen vor der Kommandokapsel ab. Eine erste Tour soll der Erkundung der Höhle dienen. Sie steigen zu viert die Geröllrampe hinunter auf das Niveau der Höhle. Hier im Bereich des Deckeneinsturzes hat die tropische Vegetation die Höhle erobert. Sie gehen weiter und müssen bald ihre Stirnlampen einschalten, denn Dunkelheit umfängt sie.

Bald erweitert sich der Tunnel zu einem großen Saal. Allmählich gewöhnen sich die Expeditionsteilnehmer an die Stille und die Dunkelheit, während sie den Schritten und der Stimme ihres Guides folgen. Das Vulkangestein knirscht unter ihren Sohlen.

Sie bewundern die ockerfarbenen Wände. Hier und da hängen Stalagtiten aus Kalkspat von der Decke. Stellenweise ist die Lavahöhle weiß, als wäre sie mit grobem Salz überzogen. Hier und da glitzert es im Schein der Stirnlampen.

Die Astronauten erinnern sich, in den einleitenden Vorträgen gehört zu haben, dass hier auf der Erde kaum ein Lavatunnel breiter als 30 Meter ist. Auf dem Mars sind, wegen der Schwerkraft von 38% der Irdischen, dagegen lichte Weiten von zwei- bis dreihundert Meter möglich, auf dem Erdmond sogar 1000 Meter. Man hat auf dem Mars auch Höhen von 115 Metern in den Lavaröhren gemessen.

Nun untersuchen sie das Gestein, das die Wand der Röhre bildet. Hier und da gibt es Ton und Kalkspat. Für die Herstellung von 'Astrocrete' benötigen sie eher Quarzsand, aber auch der dunkle Sand aus Vulkangestein ist möglich. Da hinein wird Urin gemischt, um dem Sand Harnstoff zuzufügen. Auch das im Blut vorkommende Humanalbumin ist ein Bestandteil des 'Astrocrete' - Zements.

Die Wissenschaftler haben errechnet, dass sechs Astronauten auf diese Weise in dem zwei Jahre dauernden Aufenthalt auf dem Mars etwa 500 kg ?Astrocrete herstellen können. Das soll in diesem Experiment unter realen Bedingungen überprüft werden. Nun muss das ganze Baumaterial auch noch in die Höhle geschafft und hier unten angemischt werden.

*

Der US-Multimillionär Elon Musk und CEO von SpaceX ist vor Jahren zu Gesprächen mit der vietnamesischen Regierung nach Hanoi geflogen. Er hat erreicht, dass die Höhle Hang Son Doong im Nationalpark Phong Nha Ke Bang nahe der Grenze zu Laos, rund 500 Kilometer südlich der vietnamesischen Hauptstadt für den Tourismus gesperrt wird.

Er verspricht der vietnamesischen Regierung, dass sie dort einen Regierungsbunker einrichten kann. Gerne wolle er den finalen Umbau finanzieren. Bis dahin, und hier ist ein Zeitraum von 30 Jahren im Gespräch gewesen, darf Mister Musk die Höhle zu einem wasserdichten Hohlraum ausbauen.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist in seinem Inneren, 300 Meter unter der Erde, ein Fluss geflossen, der in der Regenzeit regelmäßig stark anschwillt und die Höhle geschaffen hat. Durch die Abdichtung mit wasserdichtem Beton und mittels kleiner künstlicher Hohlräume in dem Karstgestein, die dem Fluss eine andere Richtung geben, hat die SpaceX die Simulation eines marsianischen Lavatunnels geschaffen.

Hier soll in den nächsten Jahren eine Mars-Siedlung entstehen. Die Versorgung mit Elektrizität geschieht mittels Wasserkraft. Das Wasser selbst wird über einen Kreislauf immer wieder erneuert. Mit den Abfällen aus der Wiederaufbereitung wird eine Nahrungsmittel-Produktion versorgt.

In ihrem Innern fließt ein Fluss, der an einigen Stellen reißend, an anderen zahm und manchmal nicht einmal zu sehen ist. Nach jeder Regenzeit bahnt er sich einen neuen Weg durch den steinernen Tunnel.

Mein Name ist Jesse Brown. Ich komme aus Alabama und habe mich für das Siedlungsprojekt der NASA und SpaceX gemeldet. Nachdem ich vom Marshall Space Flight Center in Alabama ausgewählt worden bin, fliege ich 17,5 Stunden von Huntsville International Airport, Carl T. Jones Field, nach Noi Bai International Airport am Rand der Hauptstadt Hanoi.

Dort angekommen werde ich mit sieben weiteren Leuten, darunter drei Frauen, in die US-Botschaft gefahren und in einen Schulungsraum geführt. Hier lernen wir unseren Guide kennen. Er stellt sich vor als Howard Smith und erklärt, er sei ein Caver -Höhlenwanderer-. Mit gedämpfter Stimme und einem gutmütigen Lächeln erklärt er, was auf uns zukommt.

Am darauffolgenden Tag fahren wir in einem Kleinbus von Hanoi 500km in südlicher Richtung in den Nationalpark Phong Nha Ke Bang in Zentralvietnam. Der Bus hält in einer unscheinbaren Kurve. Rechts ist eine Lücke in der Leitplanke, dahinter geht es einen schlammigen, schmalen Pfad abwärts in den Dschungel. Dort treffen wir auf zwei Mitarbeiter und acht Träger, die unser Gepäck übernehmen.

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