Samstag, 23. Juli 2022
Aufbruch ins All -17
In den Wochen bis zur Hochzeit schaue ich mich nach einer größeren Wohnung um. Sie sollte etwa die Größe von Madikwes elterlicher Wohnung haben, statt meines bisherigen Appartements. Auf Zukunft angelegt, sollte sie drei Schlafzimmer haben, einen Living-Room, in dem sich das tägliche Leben abspielt, sowie Küche und Bad.

Ich schaue mir verschiedene Angebote an und entscheide mich schließlich für ein Angebot mit einem 'Badetempel'. Das wird Madikwe bestimmt gefallen. Das Wasser in der ganzen Wohnung wird gesammelt, aufbereitet und dem Kreislauf wieder zugeführt, denn auf dem Mars ist Wasser naturgemäß knapp und dementsprechend teuer. Kurz vor dem Hochzeitstermin ziehe ich um.

Davor noch habe ich ein Gespräch mit Mister und Mistress Berlin, meinen Mentoren was das Leben auf dem Mars betrifft. Sie sind hoch erfreut, als sie hören, dass ich mich im Status des 'Brautgemachs' befinde und erklären mir alles Weitere: Auf dem Mars gibt es die verschiedensten Ethnien. Die christliche Ethnie ist die Größte. Daher hat man bei der Kalenderreform damals Christi Geburt als zentrales Element beibehalten. Im Gegensatz zur Erde, wo man mittels Mission die anderen Ethnien in der Vergangenheit bekämpft hat, sind sie auf dem Mars gleichberechtigt.

So gibt es keine standesamtliche Hochzeit. Das Registrierungsbüro im Innenministerium muss von einem Notar über eine Hochzeit informiert werden. Dieser muss der Hochzeit beiwohnen und erkennen, dass hier zwei Menschen willentlich eine dauerhafte Verbindung eingehen.

Die Familie Inkosi gehört nun der Ethnie der Khoikhoi -wahre Menschen- an. Die Khoikhoi haben mehrere Götter und 'Heiler', die durch Trance mit der Götterwelt in Verbindung treten können. Ein solcher 'Heiler', auf Khoi ein 'Igquirla', wird die Hochzeitszeremonie leiten.

Auf ihren Rat hin, fahre ich an einem der nächsten Tage wieder zum Berufsverband der Kunstglaser und schaue mir die Ausstellung noch einmal an. Ich erstehe eine gläserne Skulptur, die mit verschiedenen Mineralien Farbverläufe erhalten hat. Die Skulptur erhalte ich in einer kunstvollen Kiste verpackt, die später in der Wohnung zu ihrem Sockel wird. Sie soll eine Art Brautgeschenk an die Adresse der Brauteltern werden.

Eigentlich hätte ich ihnen das Geschenk bei meinem Antrittsbesuch machen sollen. Nun soll ich die Brauteltern am Vortag der Hochzeit in meine Wohnung einladen. Mistress Berlin möchte mir ein dem Anlass entsprechendes Menü zusammenstellen. Ich bedanke mich herzlich dafür und verfasse eine schriftliche Einladung.

Anschließend fahre ich zum Wohnblock, in dem die Familie Inkosi wohnt und gebe die Einladung bei der Dame hinter dem Tresen im Foyer ab. Am Vormittag des Vortages meiner Hochzeit hole ich das Menü bei den Berlins ab. Gegen Mittag treffen die Inkosis bei mir ein. Ich heiße Madikwes Elternpaar willkommen und bitte sie an den Tisch.

Mistress Inkosi verschwindet mit einer Entschuldigung kurz im Bad. Als sie an den Tisch kommt, zeigt sie einen überraschten Gesichtsausdruck. Ich verschwinde schnell in der Küche, um die Vorspeise aufzutragen. In dieser Zeit hat Mistress Inkosi ihren Mann wohl informiert, was sie im Bad gesehen hat.

Während wir nun die Vorspeise von Mistress Berlin genießen, fragt Mister Inkosi lächelnd:

"Darf ich den Grund unseres heutigen Zusammenseins erfahren? Sie wollen sich doch nicht von Madikwe lossagen? Haben Sie ihre Gefühle zu ihr gründlich geprüft?"

Ich schüttele lächelnd den Kopf und antworte:
"In den vergangenen Wochen habe ich eine unstillbare Sehnsucht nach Madikwe gefühlt, solange ich mich nicht durch meine Arbeit und die Vorbereitungen hier ablenken konnte. Also will ich mich ganz sicher nicht von meiner Liebe lossagen! Ich habe mich auch bei den Eheleuten Berlin über den Ablauf einer marsianischen Hochzeit informiert.
Mister Berlin ist einer meiner Chefs im Amt und mein Mentor. Er hat mich auf einen Faux pas aufmerksam gemacht: Eigentlich hätte ich Ihnen bei meinem Antrittsbesuch vor Wochen ein Brautgeschenk machen müssen. Das will ich heute nachholen. Mistress Berlin war nun so lieb und hat sich angeboten, dieses Menü zu bereiten, damit ich nichts bestellen muss. Ich denke, dafür dürfen die Eheleute Berlin als meine 'Eltern' an der Zeremonie morgen teilnehmen."

Meine beiden Schwiegereltern in spe haben der langen Ansprache aufmerksam zugehört. Mister Inkosi meint:

"Aber natürlich! Dann lernen wir die Herrschaften ebenfalls kennen... Diese Wohnung gehört dir, Tim?"

Ich nicke lächelnd, sammele das leere Geschirr ein und trage es in die Küche, um danach mit dem Hauptgang zum Tisch zurück zu kommen. Als ich mich wieder gesetzt habe, erkläre ich:

"Ich hatte Madikwe ja gesagt, dass ich bisher ein kleines Appartement bewohnte. In den vergangenen Wochen habe ich nach etwas Größerem für uns gesucht und diese Wohnung hier gefunden. Ich habe mir gedacht, dass ich in Zukunft Gäste- oder Kinderzimmer gebrauchen würde. Die anderen Räume ergaben sich dann so. Im Bad habe ich ein paar Einbauten machen lassen, die ich mit dem Installateur vorher abgesprochen habe.
Das Wasser wird, wie in Raumschiffen üblich, in einen Kreislauf geführt. Es wird gereinigt und wieder neu in den Verbrauch gegeben. Der 'Restmüll' wird gesammelt und abgeholt. Er eignet sich wunderbar als Dünger auf den Feldern außerhalb der städtischen Bebauung. Auch braucht so nur wenig Wasser dem System zugeführt werden."

Ich lächele und ergänze: "Der Mann wird seine Erfahrung in meiner Wohnung sicher bald weiteren Kunden anbieten. Einen kleinen Betrag seines Umsatzes habe ich mir vertraglich gesichert!"

"Du warst also auf Zukunft bedacht, bei deiner Suche..." meint er.

Ich bestätige es ihm nickend.

"Das Bad wird Madikwe gefallen!" fährt Mister Inkosi lächelnd fort. "Schon allein die Größe von etwa 2 mal 3 Metern..."

Ich habe früh von Mister Berlin auf der Arbeit im Amt das marsianische Maßsystem erklärt bekommen. Da Wasser das Kostbarste auf dem Mars ist, leitet sich das Maßsystem von seinen Eigenschaften ab: Ein Liter hat auf dem Mars die Kantenlänge von 13,855 irdischen Zentimetern. Also hat man den marsianischen Zentimeter auf ein Zehntel dieser Länge festgelegt. Daraus folgt, dass ein marsianischer Meter etwa 1,39 irdischen Metern entspricht. Also redet Mister Inkosi von einem Raum, der etwa drei mal vier Meter nach irdischen Maßstäben groß ist.

Anschließend fragt er noch, wie ich die vergangenen Wochen erlebt habe und es entwickelt sich ein Smalltalk, der bis in den frühen Abend dauert. Dann meint Mister Inkosi, dass sie 'langsam' aufbrechen müssten, da noch etwas vorzubereiten wäre für morgen. Ich begleite sie bis zur Haltebucht der Cabs und trage ihnen die gläserne Skulptur. Sie hat ja doch ein gewisses Gewicht. Dort unten verabschieden wir uns herzlich bis auf den nächsten Tag.

*

Dann ist der Tag der Hochzeit gekommen. Ich gehe mit den Berlins auf die Dachterrasse des Wohnblocks, in dem die Inkosis wohnen. Oben treffen wir auf einen offiziell aussehenden Mann und einen Mann in einem künstlichen Leopardenfell.

'Dies müssen die Männer sein, die wichtig für unsere Hochzeit sind,' denke ich mir, und trete an die Männer heran. Ich begrüße sie freundlich, worauf der Igquirla -Heiler- eine Rassel am Ende seines Stocks schüttelt und mich Xu anvertraut. Xu ist die höchste Gottheit der Khoikhoi. Der Mann neben ihm, ein Beamter, fragt mich sogleich nach meinem Namen und ob ich die Hochzeit aus freiem Willen eingehen will, was ich ihm mit fester Stimme bestätige.

Nun nähern sich Madikwe, ihre Eltern und ihre Freundin Krotoa. Meiner zukünftigen Frau wird die gleiche Frage gestellt, dann tritt er zurück und übernimmt die Position des Beobachters.

Die Eheleute Berlin übernehmen die Funktion meiner Eltern. Ich muss mich vor den Igquirla knien und sie legen ihre rechte Hand auf je eine meiner Schultern. Madikwe kniet neben mir nieder und deren Eltern tun Gleiches bei ihr. Der Igqirla sagt ein paar Sätze, in denen verschiedene Gottheiten der Khoikhoi angerufen werden. Anschließend stellt er jedem von uns die Frage, die wohl überall im Universum gleichbedeutend ist. Wir beantworten sie mit einem klaren "Ja!"

Krotoa tritt nun vor und reicht Madikwe ein Kästchen. Sie entnimmt ihm einen Ring, den sie mir an den Finger steckt. Genauso verfahre ich danach mit Madikwe. Wir erheben uns und nun begibt sich der Igquirla durch einen rhythmischen Tanz in Trance, wobei er sich dreht. Die anwesenden Frauen klatschen und stimmen ein unbekanntes Lied an. Mister Inkosi lässt eine afrikanische Musik aus einem tragbaren Gerät ertönen.

Später gehen wir gemeinsam zu den Eheleuten Inkosi und lassen den Tag mit einem Festessen ausklingen. Am Abend fahre ich mit Madikwe und ihrer Freundin Krotoa zu unserer Wohnung. Beide Frauen sind dort noch nie gewesen.

Wie es der Etikette entspricht, verabschieden wir uns am Ziel von Krotoa, die mit dem Cab nun zu sich nachhause fährt. Im Treppenhaus verabschieden wir uns dann vom Ehepaar Berlin und ich führe Madikwe zu der Wohnung, die ab jetzt auch ihr Zuhause sein wird.

Ich entriegele das Schloss mit meiner Identcard und nehme Madikwe auf meine Arme. Mit dem Fuß stoße ich die Tür zu unserer Wohnung auf und trage sie hinein. Mit einem Kick meiner Ferse schließe ich die Tür hinter mir und lasse Madikwe wieder herunter.

Madikwe schaut sich um. Sie öffnet eine Tür, die vom Flur abgeht, nach der Anderen. Auf der einen Gangseite findet sie drei kleinere Zimmer nebeneinander. Kurz schaut sie in den Livingroom am Ende des Flurs, dann kümmert sie sich um die gegenüberliegende Seite. Direkt neben dem größten Raum der Wohnung entdeckt sie die Küche. Sie macht "Wow!"

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